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Amoklauf an der SB-Kasse

Veröffentlicht von Hans Wurst am

Im EDEKA-Markt Markscheid ereignete sich heute Morgen ein Vorfall, der das Konzept der modernen Selbstbedienung in seinen Grundfesten erschüttert und die Frage aufwirft: Wie viel digitale Frustration verträgt der deutsche Durchschnittsbürger noch?

Im Zentrum des dramatischen Geschehens: Herr H.W., ein Mann von Prinzipien und loyaler EDEKA-Kunde seit der D-Mark-Ära. Sein wöchentlicher Einkauf, bestehend aus einer Kiste Pils, einem Karton Sekt für die Gattin, einer Packung Schnapspralinen zum Feierabend und natürlich dem obligatorischen Bund Bio-Radieschen, sollte eigentlich eine routinemäßige Angelegenheit werden. Doch die moderne Technik hatte andere Pläne.

Angefangen hatte alles an Terminal Nummer 3, der sogenannten „Schnell-Kasse“, die sich – wie Herr W. später murmelte – schon seit Wochen durch eine erschreckende Langsamkeit auszeichne. Nach dem erfolgreichen Scannen der Radieschen und des Papiertaschentuch-Viererspacks kam der erste Stolperstein: Die alkoholhaltigen Getränke. Wie ein Damoklesschwert lauerte die Meldung „Altersfreigabe erforderlich – Bitte warten Sie auf einen Mitarbeiter.“ Herr W. wartete. Fünf Minuten. Zehn Minuten. Die Schlange hinter ihm wuchs, ebenso wie sein innerer Druck. Eine verzweifelt suchende Blickanalyse ergab: Kein Mitarbeiter in Sicht.

Gerade als Herr W. überlegte, ob er nicht doch die Flasche Sekt einfach “versehentlich” als Bio-Gurke registrieren könnte tauchte wie aus dem Nichts Frau Müller, die Auszubildende im ersten Lehrjahr, am Horizont der Gemüseabteilung auf. Mit der Ruhe eines buddhistischen Mönchs, der gerade seine innere Mitte gefunden hat, trottete sie herbei, scannte ihren Ausweis, drückte auf “Bestätigen” und verschwand so schnell, wie sie gekommen war. Kaum hatte Herr W. die Kiste Pils gescannt, erschien dieselbe Meldung bei den Schnapspralinen. Wieder “Altersfreigabe erforderlich – Bitte warten Sie auf einen Mitarbeiter.”

Herr W.‘s Adern am Hals traten hervor. Seine Ohren färbten sich rot, eine Farbe, die normalerweise nur den reifesten Tomaten im Bio-Regal vorbehalten ist. Die Sekunden tickten, die Warteschlange grummelte. Endlich erschien wieder jemand. Diesmal ein Herr, dessen Namensschild “Kevin, Aushilfe” verriet und der den Blick eines Menschen hatte, der sich gewünscht hätte, er hätte heute Morgen die Bettdecke einfach über den Kopf gezogen. Mit einem Seufzer, der die gesamte Kühltheke vibrieren ließ, drückte Kevin den Freigabe-Knopf.

Der Supermarkt ist inzwischen nicht nur für ältere Mitbürger mitunter eine Herausforderung

Erlöst, so schien es, griff Herr W. zu seiner Payback-Karte, dem heiligen Gral des Spar-Deutschen, der Belohnung für Jahrzehnte der Treue. Er hielt sie mehrfach vor den Scanner, probierte es von links nach rechts, von oben nach unten. Der Bildschirm des Terminals aber, schien ihn mit einer fast diabolischen Arroganz anzugehen: „Karte nicht lesbar. Bitte versuchen Sie es erneut.“

Für Herrn W. war dies der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Es war nicht einfach nur eine Payback-Karte. Es war die Kumulation von Minuten des Wartens, der Demütigung durch die Maschine, der Ineffizienz.

Was folgte, ging als der “Radieschen-Rambazamba” in die Annalen des Markscheider Einzelhandels ein: Herr W. schrie nicht, er grollte. Ein tiefer, gutturaler Klang, der direkt aus den Tiefen seiner geplagten Seele zu kommen schien. Er nahm nicht die Payback-Karte, sondern das danebenliegende Preisschild der “Aktions-Avocado” und schlug wiederholt, aber überraschend sanft, gegen das Touchscreen-Display. “DIESER MIST! IMMER DIESER MIST! ICH WILL MEINE PUNKTE! MEEIIINE PUNKKKTE!”, brüllte er, während er die Schnapspralinen theatralisch auf den Boden warf. Das Pils hielt er weiterhin fest umklammert, als wäre es sein letzter Rettungsanker in einer stürmischen See der digitalen Inkompetenz.

Die Kunden in der Schlange zogen kollektiv Luft ein. Ein Kind begann zu weinen, sofort von seiner Mutter mit einem „Siehste, deshalb gehen wir sonst immer zum NETTO!“ beruhigt.

Währenddessen näherte sich der Filialleiter im Laufschritt, flankiert von zwei Sicherheitskräften, die in ihren neonfarbenen Westen eher wie fehlplatzierte Verkehrslotsen wirkten. Herr W. stand schwer atmend vor dem malträtierten Terminal, das Display nun von feinen Rissen durchzogen, aber noch immer zäh und unnachgiebig leuchtend: „Karte nicht lesbar. Bitte versuchen Sie es erneut.“

Für einen Moment herrschte absolute Stille, nur unterbrochen vom Brummen der Kühlaggregate. Dann hob Herr W. langsam die Kiste Pils in die Höhe, als wolle er ein uraltes Opfer darbringen, und sprach mit einer Stimme, die gleichzeitig drohend und flehend klang:

„Entweder jemand bucht mir JETZT meine Payback-Punkte, oder ich zahle in BAR.“

Im Saal des Konsums, zwischen Radieschen und Rabattaktionen, war dies der ultimative Tabubruch …

Kategorien: Alltag