Ein Tag im Leben Doktor Scheiders
Danke an die „Markscheid am Mittwoch“, daß man mir hier Gelegenheit gibt, aus meinem harten beruflichen Alltag in unserer Stadt zu berichten. Aber ich sollte mich vielleicht erst vorstellen:
Mein Name ist Marko Scheider und ich bin Arzt. Nach einer soliden Grundausbildung bei der Bundeswehr zum veterinärmedizinischen Hilfssanitäter konnte ich meine Kenntnisse erweitern und an der Universität von Tiraspol (Moldawien) einen akademischen Grad günstig erwerben. Seit 2011 arbeite ich als Notarzt in Markscheid. Meine besonderen Vorlieben liegen im Bereich der Experimentalmedizin und der Ausstellung von Totenscheinen. Mein privates Engagement gilt der Organisation „Ärzte ohne Gewissen“.
Und hier das Protokoll eines ganz gewöhnlichen Arbeitstages:
9.21 Uhr: Kurz nachdem ich die zahlreichen Meldungen auf dem Anrufbeantworter der Praxis ungehört gelöscht habe (so etwas hält nur unnötig auf) kommt auch schon die erste Notfallmeldung. Der Waldarbeiter Uwe Svendowski ist im Fickwalder Forst von einem LKW gestürzt und behauptet, einen offenen Bruch des Oberschenkels davongetragen zu haben. Ich verspreche, mich umgehend auf den Weg zu machen und es ist ja auch ganz nahe an der Praxis.
11.15 Uhr: Beim Eintreffen am Unfallort präsentiert sich der Patient wehleidig, wimmert ständig und ist ganz blau angelaufen. Ich hasse solche Jammerlappen! Der Heulboje werden von mir zwei rote Tabletten ausgehändigt (die habe ich mal als Arzneimittelprobe vom Hersteller zugeschickt bekommen), ich kassiere meine 137,30 Euro in bar und gebe dem Waldarbeiter noch einen Termin für nächste Woche bei mir in der Praxis.
12.07 Uhr: Anzeichen einer Lebensmittelvergiftung in der Pizzeria „El Blindo“. So eine Scheiße passiert natürlich immer in meiner Mittagspause! Ich verspreche, mich schnell auf den Weg zu machen.
14.17 Uhr: Eintreffen in der Pizzeria. Der Patient liegt im Gastraum, zittert stark, hat eine grünliche Gesichtsverfärbung und ist nicht ansprechbar. Jetzt zählt jede Sekunde! Also rasch zurück zum Fahrzeug, Autobatterie rausholen und dem nahezu Bewußtlosen dann mit zwei offenen Kabelenden erst einmal einen ordentlichen Stromstoß verpassen. Ich habe meinen hypnotischen Eid ja nicht umsonst geleistet und weiß, daß manchmal einfach jeder Handgriff sitzen muß. Der Simulant windet sich und muß sich heftigst erbrechen. Und wie ich schon in der Ausbildung gelernt habe: Wer kotzt, der ist noch nicht tot.
14.45 Uhr: Auf der Straße vor der Praxis wartet bereits Rentnerin Elvira Feumann auf mich und klagt über starke Schmerzen im Brustbereich. Ich gebe der Frau ein leichtes Abführmittel mit auf den Weg, kassiere 82,00 Euro (Freundschaftspreis natürlich, weil man sich ja kennt) und wünsche noch einen schönen Tag.
15.36 Uhr: Anruf aus Sherlots Fischladen. Ein Kunde hat ein Stück frischen Nordseelachs schon im Laden probiert, ist umgehend kollabiert und sitzt jetzt apathisch auf einem Stuhl hinter der Kühltheke. Jetzt wird es langsam knapp mit dem Feierabend!
16.53 Uhr: Eintreffen im Fischladen. Der Patient sitzt eingesunken auf einem Hocker, stiert hohläugig an die Wand und rezitiert Kinderreime. Also scheinbar nichts ernstes. Sherlot versichert, sein Fisch sei „so frisch wie immer“ und kündigt an, mich mit Naturalrestitutionen zu bezahlen (was ich natürlich ablehnen muß), wenn der Kunde nur endlich abhaut. Ich kassiere meine 137,30 Euro in bar von Sherlot, drücke dem Hypochonder auf dem Stuhl eine rote Tablette in die Hand und drohe ihm anschließend mit der Polizei, wenn er mich hier noch weiter von der Arbeit abhält.
17.30 Uhr: Feierabend. Natürlich melden sich noch die üblichen Störenfriede (zwei weitere Vorfälle in El Blindos Pizzeria, angeblich schwere Verbrennungen eines Kochs in der „Herberge zur guten Heimat“ und ein dementer Senior, der mit Erfrierungssymtomen im Fickwalder Forst gefunden wurde), aber morgen ist ja auch noch ein Tag und meine Patienten haben ein Anrecht auf meine volle Konzentration und all mein ärztliches Können und dafür braucht man ja auch mal etwas Ruhe.
(Unser Notarzt Dr. Scheider kann übrigens rund um die Uhr in seiner Praxis in der Bumshagener Straße 37a angerufen werden. Barzahlung erwünscht,Termine nur nach Vereinbarung, der Mann muß schließlich rund um die Uhr Leben retten; Anmerkung der Redaktion)