Gästehaus der Stadt seit Monatsanfang unter Naturschutz gestellt
Vor dem Hintergrund des besorgniserregenden Klimawandels, der jeden Freitag tausende von Schülern aus der Sicherheit ihrer behaglichen Klassenzimmer hinaus auf die bedrohlichen und unsicheren Straßen ihrer Heimatstädte treibt, gewinnt der Umweltschutz mit jedem Jahr, den unser verfickter Planet noch vor sich hat, zunehmend an Bedeutung. Und einmal mehr setzt Markscheid neue Maßstäbe: Unsere kleine Stadt ist die erste weltweit, deren Gästehaus unter Naturschutz gestellt wird!
Bernd Luhrmann (53) vom Bundesamt für Naturschutz gehört zu den echten Fans Markscheids, seit er erstmals vor zwei Jahren das offizielle Gästehaus der Stadt besuchen durfte:
„Diesen Tag im Frühling 2017 werde ich sicher niemals vergessen. Gleich beim Betreten des Hauses bemerkte ich im Eingangsbereich einen Acmaeodera degener, besser bekannt als Achtzehnfleckiger Ohnschild-Prachtkäfer. Sofort war mein Interesse geweckt. Und als ich dann auch noch Wimperflechten, also die gemeine Anaptychia spp. im Flur vorfand, wusste ich, dass ich mich nicht an einem gewöhnlichen Ort befinde.“
Seither ist Luhrmann der Magie des Ortes erlegen, ist ständiger und auch einziger Gast des Hauses und inzwischen mit Roter Röhrenspinne, dem Gartenschläfer (Eliomys quercinus) und der Markscheider Malermuschel (Unio pictorum Markscheidiensis) auf Du und Du. Luhrmann: „Wahnsinn, es ist so, als sei dieses Biotop nie von Menschen betreten, also verunreinigt, worden.“
Dabei hat das Gästehaus der Stadt durchaus eine bewegte Geschichte hinter sich. 1936 erbaut hätte es im Frühjahr 1944 beinahe den legendären Wüstenfuchs Rommel beherbergt, der es bei einem Luftangriff, von dem er in der Nähe der Stadt überrascht wurde, allerdings vorzog, im Straßengraben und unter heftigen Bombenerschütterungen zu verbleiben als die zwei Kilometer nach Markscheid zu fahren.
1952 befand sich Konrad Adenauer in unserer Nachbarstadt Hörde und war als Übernachtungsgast im Haus bereits fest eingeplant, als der Bundeskanzler für alle völlig überraschend direkt vor der Einfahrt nach Markscheid wegen eines dringenden Termins auf Rügen leider umdrehen musste.
Und als Erich Honecker im September 1987 Kanzler Kohl in Bonn seine Aufwartung machte, hat die Bundesregierung vorgesehen, den geschätzten Besucher im Markscheider Gästehaus unterzubringen. Dazu kam es allerdings nicht, weil Honecker heftiges Heimweh nach Wandlitz geltend machte und nur durch eine verfrühte Abreise des Herrn eine innerdeutsche Krise ersten Ranges abgewendet werden konnte.
Als der auch in Markscheid sehr verehrte Goldkettchen-Gerd sich mit dem grünen Joschi zu vertraulichen Gesprächen über die Verarmung der deutschen Rentner traf, hielt nur ein eilends anberaumter Hagelsturm sie davon ab, in dem weltberühmten Gästehaus zu nächtigen. Und selbst der große Goethe hätte hier genächtigt, wenn es das Haus damals schon gegeben hätte.
Seither ist es still geworden um das Markscheider Gästehaus. Aber immerhin: Unsere geschätzte Bürgermeisterin hat im Bundespräsidialamt nachgefragt, ob sich unser Staatsoberhaupt nicht mal einen Besuch im Gästehaus vorstellen könnte, jetzt, wo das Gebäude unter Naturschutz gestellt ist. Frank-Walter Steinmeier hat zwar noch nicht geantwortet, darf aber sicher sein, jederzeit ein nettes, freies Zimmer im Haus vorzufinden.