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Nach Aschaffenburg: Betroffenheit aus der Schublade

Veröffentlicht von Hans Wurst am

Berlin (dpoi) – Nach dem furchtbaren Messerangriff auf eine Kindergartengruppe in Aschaffenburg ist das Anlaufen der üblichen Betroffenheitsrituale Deutschlands politischer Klasse vorhersehbar. Ist eine Rede des Bundespräsidenten zu erwarten? Gerade der zeigt sich als Paradebeispiel für deutsche Effizienz. Laut gut informierten Kreisen im Schloss Bellevue hat Frank-Walter Steinmeier mittlerweile einen beeindruckenden Fundus an vorformulierten Reden, die auf Anschläge zugeschnitten sind. Das Prinzip ist so einfach wie genial: Für jedes Szenario hält der Präsident eine passende Rede bereit. Nur die Ortsangaben und Opferzahlen müssen noch kurz vor der Ausstrahlung ergänzt werden. So können wir uns sicher sein: Betroffenheit – made in Germany – wird niemals an Spontanität verlieren.

Insider berichten, dass Steinmeier derzeit mit zehn Reden in der Schublade operiert, von der städtischen Tragödie („Wir denken an die Menschen in [Ort einfügen]“) bis zum ländlichen Grauen („Auch das beschauliche [Ort einfügen] ist nicht verschont geblieben“). Dabei ist der Ton stets treffend gewählt: ein Mix aus „wir sind entsetzt“, „wir werden uns nicht beugen“ und „das Böse darf nicht gewinnen“.

Ein Team von Redenschreibern arbeitet unermüdlich daran, die Texte universell einsetzbar zu halten. Neben Platzhaltern für Städte und Opferzahlen gibt es auch eine flexible Passage für Schuldzuweisungen: „Es zeigt, dass wir als Gesellschaft [hier bitte den aktuellen gesellschaftlichen Missstand einfügen] endlich entschlossener bekämpfen müssen.“

Das Böse lauert überall

Natürlich darf auch der Dank an die Sicherheitskräfte nicht fehlen: „Wir sind den mutigen Einsatzkräften in [Ort einfügen] zu tiefem Dank verpflichtet.“ In einer Variation gibt es sogar einen Absatz, in dem Steinmeier ausdrücklich die Solidarität der EU oder der NATO begrüßt, falls die Tragödie grenzüberschreitende Relevanz hat.

Kritiker werfen Steinmeier vor, auf diese Weise den Ernst der Lage zu banalisieren. Doch Verteidiger des Konzepts sehen in umfassender Vorbereitung einen unschlagbaren Vorteil. „Es ist doch beruhigend zu wissen, dass unser Bundespräsident immer bereit ist, sich betroffen zu zeigen und dies zügig, präzise und ohne unnötige Verzögerungen“, so ein Sprecher.

Gerüchte, wonach das Schloss Bellevue auch an einer „KI-gestützten Rede-Generator-Software“ arbeite, wollte niemand bestätigen. Aber eines ist sicher: Egal, wo der nächste Anschlag geschieht: Frank-Walter Steinmeier wird in Windeseile mit einer Botschaft der Betroffenheit zur Stelle sein.