Der Untergang
Der Führer rieb sich die Nasenwurzel. Peinlich genau studierte er die vor ihm auf dem Tisch ausgebreitete Karte. Der Feind kam immer näher. Im Süden hatte er Zossen genommen und stiess auf Stahnsdorf vor. Im Osten stand er schon in Karlshorst. Aber auch Treptow und Buckow meldeten den Durchbruch starker feindlicher Kräfte. Die Lage war ernst. Noch nie hatte man derart viele Impfdurchbrüche erlebt.
Der Führer blickte in die verängstigten Augen der um ihn versammelten Generäle.
„Mit der Booster-Impfung wird das alles wieder in Ordnung kommen„, erklärte er ruhig und versuchte, zuversichtlich zu klingen. Doch seine Generäle tauschten nur verstohlen Blicke aus.
„Mein Führer …, in den Pflegeheimen, in denen wir die dritte Impfung bereits gegeben haben, kommt es ebenfalls zu massiven Impfdurchbrüchen. Die Booster-Impfung scheint nicht wie gehofft zu wirken. Die Menschen verweigern sie zunehmend„, erklang schliesslich ein zögerlicher Widerspruch. Der Führer traute seinen Ohren nicht. Mit zittrigen Fingern nahm er die Nickelbrille ab.
„Es bleiben im Raum …“, brachte er schliesslich hervor und nannte die Namen seiner wichtigsten Generäle. Die übrigen Teilnehmer der Konferenz verliessen den Lageraum. Die Tür schloss sich.
„Das war ein Befehl!!„, schrie der Führer ausser sich. „Die Booster-Impfung war ein Befehl!!!„
Die Anwesenden blickten verlegen zur Seite. Der Führer war nicht mehr zu bremsen: „Wer sind Sie, dass Sie es wagen, sich meinen Befehlen zu widersetzen?! Sie nennen sich Ärzte und Tierärzte, aber Sie denken nur an Ihre Auftritte in Talkshows!„
„Mein Führer, das ist ungeheuerlich„, widersprach eine Stimme mit unüberhörbar rheinischer Klangmelodie.
„Ich war nie auf einer medizinischen Akademie! Und doch habe ich nur auf mich gestellt, ganz Deutschland in einen Lockdown geschickt! Ich habe all diese Menschen monatelang zuhause eingesperrt! Und für was?!„, ereiferte sich der Führer, verstummte dann aber plötzlich.
Gebrochen sank der Führer in seinen Sessel. Die Erkenntnis war bitter. Die versprochenen Wunderwaffen, die Erstimpfung Vakzin-1 und die Zweitimpfung Vakzin-2, beide hatten sich als nutzlos erwiesen. Er hatte felsenfest an die Impfungen geglaubt. Und jetzt brach alles zusammen. Die Zahl der Impfdurchbrüche stieg täglich. Auch der Volkssturm, die zwölfjährigen Kinder, die er an die Impffront geschickt hatte, war wirkungslos verpufft. Der Führer blickte mit glasigen Augen ins Leere. Er wusste, der Krieg war verloren. Sollte man den Menschen doch ihre Freiheit zurückgeben.
„Tun Sie, was Sie wollen„, waren seine letzten Worte. Dann wandte er sich ab.