Der Schwarze Hand-Mythos
Verschwörungstheorien überschwemmen das Internet. Im Schutz vermeintlicher Anonymität zersetzen Hetzer mit Fake News die gesellschaftlichen Grundlagen, Werte und Überzeugungen unseres Landes. Doch die „Markscheid am Mittwoch“ hält mutig dagegen. Regelmäßig decken wir hier Unwahrheiten auf und entlarven die Lügner, bis auch noch der letzte naive Bürger es begreift: Verschwörungen gibt es nicht und es hat sie auch nie gegeben!
Wer hat den Ersten Weltkrieg ausgelöst? In den zurückliegenden hundert Jahren wurde diese Frage vielfach diskutiert und sehr unterschiedlich beantwortet. Für die Siegermächte des Krieges stand nach dem Ende der Feindseligkeiten fest, daß das unterlegene Deutschland die Alleinschuld trägt. Wenig überraschend beschuldigte man dort seinerseits England, Frankreich und Rußland, einen zumindest ganz gehörigen Anteil am Ausbruch des Krieges zu haben. Und im bolschewistischen Rußland wurde man nicht müde, der Regierung des gerade erst untergegangenen Zarenreiches die Schuld zuzuweisen. Verschwörungstheoretiker „bereichern“ diese Diskussion schon lange mit einer aberwitzigen Behauptung: Eine angebliche serbische Geheimorganisation mit dem Namen „Schwarze Hand“ soll am 28. Juni 1914 in Sarajevo einen Mordanschlag auf das Leben des österreichisch-ungarischen Thronfolgers Franz Ferdinand verübt haben. Ein gewisser Gavrilo Princip habe auf den im Wagen an ihm vorbeifahrenden Erzherzog geschossen. Dabei sei dieser gestorben und die Tat sei quasi die Initialzündung für den Ersten Weltkrieg gewesen.
Was ist dran an solchen kruden Thesen? Machen wir den Faktencheck:
Gab es jemals eine Geheimgesellschaft mit dem Namen „Schwarze Hand“?
Die Existenz eines solchen serbisch-nationalistischen Geheimbundes lässt sich nicht belegen. Verschwörungstheoretiker präsentieren zwar im Internet dazu eine angebliche „Gründungsurkunde“ der Vereinigung, eine Reihe von Bildern vorgeblicher Mitglieder und sogar ein herbeiphantasiertes „Siegel“ der Gruppe, glaubwürdiger macht dies ihre Behauptung von der angeblichen Existenz einer „Schwarzen Hand“ aber nicht. Wie wahrscheinlich ist es wohl, daß ein Geheimbund Mitgliederlisten verfasst und Gruppenfotos seiner Anhänger kursieren lässt?
Gab es einen Gavrilo Princip tatsächlich und hat er Ende Juni 1914 wirklich in Sarajevo auf Erzherzog Franz Ferdinand geschossen?
Die Verschwörungstheoretiker mischen hier geschickt Dichtung und Wahrheit, um ihre Schwurbeleien glaubhafter erscheinen zu lassen. Ja, Gavrilo Princip gab es tatsächlich und er war auch am 28. Juni 1914 in Sarajevo. Aber natürlich nicht um den österreichisch-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand zu erschießen, sondern um ihm und seiner Gattin einen Blumenstrauß zu überreichen. Von diesem Moment gibt es auch zeitgenössische Darstellungen, die von Internethetzern allerdings schon mehrfach verfälscht wurden. Princip starb übrigens ganz unspektakulär 1974 im Alter von achtzig Jahren in einem Altersheim in Belgrad.
Hätte es für einen serbisch-nationalistischen Geheimbund überhaupt Sinn gemacht, Erzherzog Franz Ferdinand zu ermorden?
Diese Frage lässt sich ganz einfach beantworten: Nein, es wäre sogar überaus kontraproduktiv gewesen. Franz Ferdinand hatte umfassende Reformpläne für eine tiefgreifende Umgestaltung des angeblichen „Völkergefängnisses“ Österreich-Ungarn. Und wäre er nicht kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges an einem Magendurchbruch gestorben, dann hätte er vermutlich eine Liberalisierung des Reiches durchgesetzt, von der Kroaten, Bosnier, Tschechen und in letzter Konsequenz natürlich auch die Serben deutlich profitiert hätten. Kein Serbe wäre 1914 so dumm gewesen, ausgerechnet diesen Mann zu töten und damit auch noch einen verheerenden Krieg zu riskieren.
Das Fazit der MamM: Einmal mehr konnten die Behauptungen der Verschwörungstheoretiker eindrucksvoll widerlegt werden. So etwas wie Geheimbünde gibt es nicht.