Die Markscheider Tafel
Seit gut 2 Jahren gibt es die Markscheider Tafel. Sie ist hinter unserem wunderschönen, gleislosen Hauptbahnhof zu finden, und sie ist von Montag bis Samstags von 9.00h – 18.00h zugänglich (außer bei Regen). Ins Leben gerufen wurde das Projekt von Heinz-Peter Tibulski, den ältere Markscheider Bürger noch aus der Zeit vor seinem Afrika- und China-Aufenthalt als Kulturdezernent kennen. Er wird unterstützt von sieben motivierten Ehrenamtlern. MamM hatte die Gelegenheit zu einem Gespräch mit Heinz-Peter:
MamM: Heinz-Peter, schön, dass Sie wieder in der Stadt sind. Was ist der Hintergrund des Tafel-Projektes, was wird damit bezweckt?
H.-P.: Markscheid ist ja eine kulturelle und auch literarische Hochburg. Dennoch gibt es auch in unserer schönen Stadt Menschen, denen oft das richtige Wort fehlt, ob nun beim Widerspruch zum Steuerbescheid, bei der Reklamation der Pizza, oder beim Geburtstagsgedicht für die Ehefrau. Gerade in der Vorweihnachtszeit mit ihren Grüßen an Freunde, Verwandte, Geschäftspartner ist die Sprachlosigkeit sehr ausgeprägt.
Was wir als Markscheider Tafel tun: wir fahren täglich die Anfallstellen für überflüssige Worte ab, also Stadtverwaltung, Finanzbehörde, Werbeagenturen, Kirchen, aber auch einige Privathaushalte. Dort sammeln wir die überflüssigen Worte ein und schreiben sie an unsere Tafel, wo sich dann jeder bedienen kann. Der Bedürftige kann sich das Wort abschreiben oder auch mit dem Smartphone abfotografieren und wischt es danach mit dem Schwamm aus.
MamM: Können neben Worten auch andere Zeichenfolgen gespendet werden? Und wer sind die Empfänger?
H.-P.: Es gehen auch Buchstaben-Zahlen-Kombinationen, zum Beispiel Passwörter oder PIN-Codes. Allerdings keine Emojis. Empfänger sind verschiedenste Bürger, die sich ein großes Vokabular einfach nicht leisten können. Oder die es mal hatten, aber verloren haben. Auch manchen Ihrer Berufskollegen von der Presse fehlt oft für einen Artikel nur der passende Artikel.
MamM: Ich kann mir vorstellen, dass mit der Tafel auch Missbrauch getrieben wird?
H.-P.: Ja, in der Tat. Anfangs haben uns gerade die Wortspender aus der Verwaltung mit Kreationen versorgt, die für unsere Klientel nicht genießbar waren. „Kommunales Belastungsentlastungserweiterungsgesetz“ war so ein Beispiel. Aber das haben wir inzwischen gut im Griff. Auf der anderen Seite hatten wir einen Fall, dass der frischgebackene Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen eine komplette Regierungserklärung aus unseren Tafelwörtern gebildet hat, das geht natürlich auch nicht.
MamM: Was war denn das schönste Erlebnis seit Eröffnung der Markscheider Tafel für Sie persönlich?
H.-P.: Das war im letzten Sommer. Da kam ein Vater von 13-jährigen Zwillingen, Jaqueline und Kevin. Die hatten gerade die Zeugnisse erhalten und der gute Mann war völlig sprachlos. Wir konnten ihm aber gut helfen.
MamM: Jedenfalls eine sehr ambitionierte Aufgabe, die Sie und ihre ehrenamtlichen Mitstreiter sich da vorgenommen haben, da investiert man viel Zeit.
H.-P.: Dafür geht es übermorgen erst einmal 3 Wochen in den Urlaub, wir fliegen zum Tafelberg.
MamM: Heinz-Peter, herzlichen Dank für das Gespräch.