Montafoner Hotels bereiten sich auf die Wintersaison vor
Schwer keuchend erhebt sich der fettleibige Hotelgast vom kleinen Tisch am Frühstücksbuffet des Montafoner Hotels „Madrisa-Rose“. Mühsam zwängt er sich in eine viel zu enge neongelbe Ski-Jacke. Die drei ungarischen Kellnerinnen, die ihn, versteckt hinter dem üppigen Weihnachtsbaum, mit Ferngläsern beobachten, hat er nicht bemerkt. „Thermoskanne in Innentasche“, flüstert eine. „Brötchen in rechter Tasche, Käsescheiben links“, ergänzt die zweite. „Alles klar, Zugriff!!“ ertönt über Sprechfunk der Befehl von der Rezeption.
Immer mehr Hotelgäste nehmen unerlaubt Speisen und Getränke vom Frühstücksbuffet mit auf ihr Zimmer. Ein Ärgernis für die Hoteliers im Montafon, die nun ihrerseits aufrüsten. Sly Winter ist Tourismus-Coach im Montafon und erklärt uns, worauf das Personal zukünftig achten wird. „Nehmen wir einmal das ‚Madrisa-Stüberl‘ hier im Hotel. Was fällt Ihnen da auf?“, fragt die sympathische Wahlmontafonerin. Fast ist unsere Reporterin geneigt zu antworten, dass einem hier überall und aufdringlich das Wort ‚Madrisa‘ begegnet, da fällt ihr der eigenartige Türrahmen am Eingang auf: „Das sieht ja aus, wie diese Dinger an der Flughafen-Kontrolle“. Sly Winter lächelt. „Genau. Die Tor-Sonde ‚Breakfasterrorist Detector X2000‘ warnt mit einem schrillen Alarmton, wenn jemand eine versteckte Thermoskanne dabei hat. Auch Tatwerkzeuge wie mitgebrachte Alu-Folie werden zuverlässig erkannt.“
Aber auch polizeiliche Taktik wird in vielen Hotels bereits angewandt. „Wenn es sich um Wiederholungstäter handelt, führen wir auch schon mal eine Razzia durch“, erklärt uns Sly Winter. Sie bemerkt den verwirrten Blick unserer Reporterin und beeilt sich zu versichern: „Aber nur in schweren Fällen. Also, wenn die Kassiererin vom örtlichen SPAR-Geschäft uns meldet, dass einer unserer Gäste eine 5-Minuten-Terrine kauft. Dann brechen Toni und die serbischen Zimmermädchen im Morgengrauen die Tür auf und durchsuchen das Zimmer nach Tauchsiedern oder Wasserkochern. Mit dem lauwarmen Wasser in den Badezimmern ist eine Fertigsuppe ja nicht zu machen.“
„Toni?“, fragt unsere Reporterin.
„Ja, der Hausbursche“, erklärt Sly Winter. „Sie haben ihn bei Ihrer Ankunft kennengelernt.“
Die Reporterin erinnert sich. Beim Check-in hatte sie kurz ihren Rollkoffer neben sich abgestellt, um das Anmeldeformular zu unterschreiben. Wie aus dem Nichts war eine grinsende, schmierige Gestalt aufgetaucht, hatte sich des Rollkoffers bemächtigt und darauf bestanden, ihn bis zum Zimmer zu tragen, wo er ihn nur im Tausch gegen ein happiges Trinkgeld wieder rausrückte.
„Wir arbeiten aber auch mit modernster Technik“, führt Sly Winter weiter aus. „Niemand ahnt es, aber wer leichtsinnigerweise das hoteleigene WLAN nutzt, wird von Hans-Rudi, dem jüngsten Spross der Hotelier-Familie, gehackt. Natürlich sucht er nur nach Hinweisen für Frühstücksbetrug, aber was er da so rein zufällig sonst noch findet…“
„Ja, was denn?“, fragt die Reporterin.
Sly Winter muss grinsen. „Nehmen wir mal die Familie von Zimmer 33 mit den beiden Jungs in Zimmer 34. Der Älteste nutzt die Kreditkarte seines Vaters, um sich jeden Abend Pornofilme runterzuladen. Die Mutter, die jeden Morgen penibel die Abrechnung der Kreditkarte kontrolliert, angeblich um zu viel gezahlte Getränke der Hausbar aufzuspüren, weiss das. Aber sie sagt nichts. Denn sonst würde auch auffliegen, dass ihre neue Handtasche aus dem Sportshop, welche die Zimmermädchen beim Bettenmachen ganz hinten im Kleiderschrank versteckt gefunden haben, mit auf die Zimmerrechnung geschrieben wurde.
Von der Affäre ihres Mannes mit seiner Arbeitskollegin ahnt sie nichts. Noch nicht. Das kann sich aber schnell ändern. Wir als Hotel haben immerhin eine soziale Verantwortung für unsere Gäste.“ Die Reporterin entscheidet sich abzureisen und wird ihren nächsten Skiurlaub in der ebenso schönen wie diskreten Schweiz verbringen.