Trennschleifer / Teil 1
Knöllenbeck war nie ein besonders guter Schütze gewesen. Bei Militär waren seine Kameraden automatisch in Deckung gegangen, sobald er den Schießplatz auch nur von weitem ansah. Jetzt drückte er die Schultern kurz durch, legte an und zielte auf Kim Jong-un. Er atmete entspannt aus und drückte dann ab.
Eine Woche vorher:
Knöllenbeck hatte sich den Urlaub redlich verdient. Und diesmal sollte es etwas ganz besonderes werden: Zwei Wochen in Südkorea. Er hatte sich gründlich vorbereitet. Eine halbe Stunde Internetrecherche, einige Brocken der verteufelt schwierigen Sprache hatte er sich eingebläut (drei Begriffe immerhin hatte er behalten: „Hallo“, „Gute Nacht“ und „Trennschleifer“) und es lagen zahlreiche Besuche im einzigen koreanischen Restaurant Markscheids hinter ihm – die perfekte Vorbereitung für das vor ihm liegende Abenteuer!
Choi, der Gastwirt des kleinen Lokals „Sura“ im Markscheider Norden, hatte ihn in seinen Urlaubsplänen bestärkt und ihm versichert, in seiner Heimat käme man mit ein paar Worten Landessprache bestens durch. Und die Frauen seien nicht zu verachten … Dabei hatte er mit seinem einen Auge gezwinkert (das andere hatte er bei einem lange zurückliegenden Küchenunfall verloren).
Derart moralisch bestärkt machte sich Knöllenbeck auf den Weg.
Die Einreiseformalitäten in Seoul wären schnell erledigt gewesen, hätte Knöllenbeck den Beamten bei der Zollabfertigung nicht unbedingt mit einem freundlichen „Hallo“ in dessen Sprache begrüßen wollen. Weil ihm das verfluchte Wort nicht mehr einfallen wollte, griff er in seinem limitierten Vokabular zu „Trennschleifer“, was für ein furchtbares Mißverständnis sorgte. Mehrere Mitreisende warfen sich zu Boden, die Zöllner zückten ihre Schußwaffen und die Urlaubsatmosphäre war vorerst dahin. Die korrekte Aussprache war im koreanischen wohl doch wichtiger als von Knöllenbeck erwartet.
Viele Stunden später im Hotel gab es die nächste unerfreuliche Überraschung: In Korea bezahlte man ja gar nicht mit Rupien! Also nutzte Knöllenbeck das in Deutschland eingetauschte Geld nichts. Frustriert über soviel regionale Engstirnigkeit zückte er die Kreditkarte und wollte der alten Frau an der Rezeption noch eine gute Nacht wünschen. Nur fiel ihm das richtige Wort nicht ein und er griff erneut zum Begriff „Trennschleifer“, diesmal natürlich mit anderer Betonung.
Die Frau blickte sich rasch um, griff unter die Theke und reichte Knöllenbeck eine kleine Plastiktüte mit einem weißen Pulver. Dann belastete sie seine Kreditkarte um eine weitere halbe Million Won.
Doch ganz nett hier die Leute, dachte sich der Urlauber. Hygiene wird wohl groß geschrieben und mit dem Pulver kriege ich meine Zähne vielleicht endlich mal ganz sauber. Dann ging er auf sein Zimmer. Er wollte ausgeruht sein, wenn er am nächsten Tag mit einer Reisegruppe die nahegelegene Grenze zu Nordkorea besuchte.