Koukols Ende
Ein Fall für Knöllenbeck. #18
Wir alle haben den überaus gescheiten Kriminalistenassitenten Koukol durch mehrere mehr oder eher weniger spektakuläre Fälle kennen und schätzen gelernt. Wie er mit Um- und Weitsicht – durch Heideggers Philosphie inspiriert – treffende Analysen zu Fragestellungen machte, auf die nicht einmal er selbst hätte kommen können, so komplex und schwierig waren sie. Nun fällt uns die traurige Aufgabe zu, der Leserschaft zu berichten, wie es zu Koukols Ende kam. Es ist nicht einfach für uns. Der Streit in der Redaktion, wem diese heikle Aufgabe zufällt, ist noch kaum verklungen, die Wunden noch nicht verheilt … aber einer muss es ja tun. Aufgrund der Zeugenaussagen und der nicht vorhandenen Protokolle lässt sich also folgendes berichten:
Wieder einmal wurden im Fickwalder Forst Leichenteile gefunden, die jemand nachlässig vergraben hatte, so dass spielende Kinder, die ja im Fickwalder Forst gar nichts verloren haben, auf die halb aus dem Boden ragenden Knochen aufmerksam wurden und die Markscheider Kriminalistik alarmierten.
Da Knöllenbeck gerade nicht abkömmlich war, begab sich Koukol an den Tatort. Aufmerksam musterte er die Fundstelle von allen Seiten und als weitere Teile der fast vollständig skelettierten Leiche freigelegt wurden, fiel ihm sogleich auf, dass deren rechte Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger in Richtung der Fickwalder Sümpfe deutete. Nun denn, dachte er, dies könnte ein Hinweis auf den Täter sein, quasi die letzte Verlautbarung des Opfers. „Hier handelt es sich ohne Zweifel um Seiendes und nicht vielmehr um Nichts“ sagte er. Auch Dr. Scheider, der den Tod des Skeletts bestätigte, war gleicher Meinung. Allerdings war er nicht bereit, diesen Befund – weil zu vage und weil er keinen Kompass dabei hatte – ärztlicherseits zu attestieren.
Koukol zog also seine Dienstpistole und wandte sich ungefähr gegen Westen in Richtung der Fickwalder Sümpfe und Teiche, also in Richtung des Hinweises. So gewappnet rückte er langsam vor, wachsam wie immer, sich nach allen Seiten absichernd – auch nach oben, da sich manche Kriminellen auch schon in den Bäumen versteckt haben. „Der Mensch versucht vergeblich, durch sein Planen den Erdball in eine Ordnung zu bringen, wenn er nicht dem Zuspruch des Feldweges eingeordnet ist,“ dachte er noch, als er – schon länger nicht mehr auf einem Feldweg, gerade wieder nach oben blickend -, unversehens in einem Sumpfloch stand, dessen Viskosität der Schwerkraft und dem Gewicht seines Körpers wenig entgegenzusetzen hatte, so dass er, im Bemühen, dem Sumpfloch zu enteilen, nur noch tiefer hineingeriet und sobald er einen Fuss hob, sich der andere tiefer in den Morast senkte, so dass er rasch bis zu den Hüften im Sumpf steckte. Koukol rief um Hilfe, eigentlich für einen Kriminalistenassistenten ein unwürdiges Handeln, aber da ihn niemand hörte, wollen wir mit Nachsicht darüber hinweg sehen.
Also schoss er in die Luft: 3 mal mit kurzen Abständen, 3 mal mit langen Abständen und wieder 3 mal mit kurzen Abständen, dann war seine Pistole leer und das SOS-Signal abgesetzt. Dies wurde erhört und als die Gerichtsmediziner das Notsignal hörten, liessen sie von der Leiche ab und eilten herbei. Da ragte gerade noch Koukols Kopf aus dem Sumpf. Sie warfen ihm eine Rettungsleine zu, die er sich mit letzter Kraft um den Hals legen konnte. Der Rest seines Körpers war ja bereits untergetaucht, aber mit vereinten Kräften gelang es ihnen, durch kontinuierlichen Zug am Seil den Kriminalistenassistenten dem Sumpf zu entreissen. Nach etwa zehnminütigem Ziehen gab der Sumpf mit einem schmatzenden, saugenden Geräusch den Polizisten frei. Als Koukol wieder auf dem Trockenen war, sagte er nichts. Gab keine Hinweise auf ein bewusstes, lebendiges Sein von sich. Die Helfer waren ratlos. Dr. Scheider diagnostizierte später „Tod durch adjuvante Strangulation“.
Knöllenbeck, der den Abschlussbericht verfasste, kam zum Schluss, dass der unbekannte Täter den Polizisten heimtückisch und mit Absicht in den Fickwalder Sumpf gelockt hatte, wo er durch die Rettungsaktion unglücklicherweise zu Tode kam. Da der Kommissar für einen tödlichen Sumpfunfall mit heimtückischer Absicht kein entsprechendes Prozedere in seinen Dienstvorschriften fand, musste er den Fall wohl oder übel abschliessen. Koukols Konterfei wurde gerahmt und im Dienstzimmer des Kommissars mit einem 9mm-Dübel (also ein anständiges und passendes Kaliber) und einer passenden Schraube an der Wand befestigt.