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Das klerikale Treiben in Markscheids Kirchengeschichte – Teil IX

Veröffentlicht von Ambros Braesius am

Das dritte Reich

Nachdem einer kleiner, schnauzbärtiger Mann mit angekokelter Lunge versehrt und verbittert aus dem ersten grossen Krieg heimgekehrt war, wälzte er grossartige, verbitterte Racheideen, die bei vielen ebenfalls frustrierten, verbitterten kleinen Leuten auf sehr positive Resonanz stiessen. Den Markscheidern und ihren Kirchenleuten war dies egal. Wie wir wissen, sind die Markscheider politisch nicht sehr innovativ und nicht schnell von grossartigen Ideen zu begeistern. Dies änderte sich jedoch auch 1934 nicht, als ein Regionalideologe der NSDAP vom Markscheider Pfarrer Bählamm zu einer Gastpredigt eingeladen wurde. Der Bählamm hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, ab und zu eine echte Geistesgrösse zu einem Sonntagsgottesdienst einzuladen, so konnte er sich das mühsame Verfassen einer Predigt sparen.

Der SS- Sturmbannführer Horrst Herrmann von Pümplitz, eine schmissige, rundliche Erscheinung, hatte die dankbare Aufgabe übernommen, am Sonntagmorgen vor der andächtig lauschenden Menge von Gläubigen von kommender Grösse, höherwertigen und minderwertigen Rassen, von Erweiterungen des Lebensraums für die wertvolleren Menschen zu berichten, von wunderbaren neuen Waffen zu künden, mit denen man minderwertiges Geschmeiss vom Erdboden vertilgen werde und so weiter und so weiter, blah,blah,blah.

An diesem Tag regnete es in Strömen und da die Kirche von Markscheid nach oben nicht ganz dicht war, begann es schon vor von Pümplitzens Vortrag von der Decke zu tropfen und zu rinnen. Von Pümplitz, der wegen seiner Fistelstimme auf technische Verstärkung nicht verzichten konnte, berührte bei den ersten Worten an die Gläubigen das Mikrophon (es war zu hoch platziert), worauf es ihn unter Strom setzte. Er hub an zu zittern und zu gurgeln, ein zähneklapperndes Gestammel und Geächze erschallte über die Gläubigen, deren Interesse nun geweckt war. Sie waren beeindruckt von der Inbrunst des Vortrags, das hektische Zittern und Krampfen wurde dem Temperament des Vortragenden zugeschrieben und entfachte Begeisterung. Einige erinnerte der Vortrag im Duktus an den grossgewachsenen, blondgelockten, blauäugigen Vorzeigearier Dr.Joseph Goebbels, Berliner Gauleiter und zusammen mit einem anderen Übermenschen,  Владимир Ильич Ульянов, genannt Lenin, Erfinder der FakeNews.

Als von Pümplitz schliesslich nach bereits fünf Minuten seinen Vortrag in einem furiosen Finale beendete, indem ihm die Haare zu Berge standen und ein Blitz der Erleuchtung aus dem rechten Ohr züngelte, waren die meisten doch sehr beeindruckt von der Intensität, auch wenn kaum einer die Komplexität des Vortrags verstanden hatte. Von Pümplitz stand dann noch einen Moment still da und als die Kirchenbesucher begannen zu applaudieren, nässte er sich ein, kippte  rückwärts von der Kanzel und war mausetot. Ein aufsteigendes Räuchlein und ein Zucken des ausgestreckten rechten Armes waren seine letzten Lebenszeichen.

Von Pümplitzens tragischer Heldentod bewirkte, dass künftig keiner seiner Genossen mehr in Markscheid modernes, nationalsozialistisches Gedankengut vortragen wollte. So wurden die Markscheider in den kommenden Jahren nicht ideologisch ausreichend aufgerüstet. Bählamm, der als guter Kirchenmann gerne am Aufbau und Abriss des tausendjährigen Reiches mitgewirkt hätte, musste sich weiterhin mit seiner bescheidenen Rolle als Pfarrer einer Gemeinde von Schwachgläubigen und Fehlgeleiteten begnügen und tröstete sich mit spirituellen Getränken über diese Misere hinweg.

Unverzichtbar für jede zünftige Befreiung durch die demokratischen Kräfte des westlichen Wertesystems: Bomber

Als dann ab 1944 die Wellen der alliierten Bomber über Deutschland zogen und Verwüstung hinterliessen, wurde Pfarrer Bählamm nicht müde, Gottes Güte zu preisen, die Markscheid von dieser Zerstörung verschonen liess. Aber Tatsache ist, dass die Bomberpiloten Markscheid von oben als bereits zerstört ansahen; mehrere Funksprüche sind dokumentiert, in denen die Staffelführer erstaunt anfragten, wer von den Kollegen denn schon da gewesen sei und ob man da wirklich zweimal bombardieren müsse. So hat Markscheids chronische, architektonische Renovationsbedürftigkeit vielen das Leben gerettet.

Kategorien: BildungswesenKultur