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Das klerikale Treiben in Markscheids Kirchengeschichte / Teil VIII

Veröffentlicht von Ambros Braesius am

Die Zeit nach dem ersten grossen Krieg

Während nach dem ersten Weltkrieg in Amerika dank des Alkoholverbots die Mafia einen rasanten Aufschwung nahm und erfreuliche Geschäftsszahlen präsentieren konnte, entwickelte sich in Markscheid wie zu erwarten eine völlig andere kulturelle Bewegung. Es ging darum, dem tristen Alltag der Inflation und dem angeschlagenen Selbstwertgefühl durch den verlorenen Krieg und dem Vertrag von Versailles positive Seiten abzugewinnen.

Und so schrieb die Kirche einen Wettbewerb  aus:

Die Kirche sucht das ultimative Spiritualgetränk

Welches Getränk spendet den besten Trost und hilft dem Gläubigen am besten auf dem Weg zur Erleuchtung?

Eine einfache Frage, aber schwierig zu beantworten, da hier nicht nur der Oechsle-Grad entscheidend ist. Wie wir wissen, hat die Kirche seit der Frühzeit einen Wissensvorsprung auf diesem Gebiet. Wie anders hätten Generationen von Kirchenmenschen erfolgreich zölibieren können, wenn nicht die geistlichen Getränke geholfen hätten, diesen unnatürlichen Verzicht erträglich zu machen?

Es trafen sich also in Markscheid am 23. April 1924, dem Tag des Reinheitsgebotes, die Produzenten von Bieren, Schnäpsen, Weinen, und um hier einige der bekanntesten zu nennen: Die Macherinnen von Klosterfrau Melissengeist®, die Brauer des berüchtigten und beliebten Markscheider Zölibiers®, die Winzerinnen der Liebfrauenmilch®,  die Inquisitoren des Schreckenskammer-Kölsch®, die Brauer der verschiedensten Klosterbräusorten aus ganz Europa und nicht zuletzt diverse Hersteller von Raketentreibstoffen.

Die belgischen Trappistenmönche nahmen leider nicht teil, weil sie unterwegs zu viel von ihrem 18%igen Bier getrunken hatten und weitläufig vom Weg abkamen. Man vermutet sie bis heute in den Hügeln der Ardennen. Dem Kloster der heiligen Barbara, Schutzpatronin der Artillerie, das sich mit einem neuartigen Getränk, eine Art von verflüssigtem Schiesspulver angemeldet hatte, wurde der Zugang zum Wettbewerb untersagt, weil man befürchtete, es könne bei der Verkostung zu abdominalen Explosionen kommen.

Die Produzentinnen des Klosterfrau Melissengeistes® und der Liebfrauenmilch®, unterstützt von französischen Liköristen, legten gleich zu Beginn der mehrtägigen Veranstaltung einen gemeinsamen Protest ein, weil der Tag des Bieres als wettbewerbsverzerrend für alle anderen Formen spiritueller Getränke angesehen wurde. Der Protest wurde wohlwollend zur Kenntnis genommen.

Und die damals noch lebende, berühmte fromme Helene (Äbtissin des Klosters der heiligen Maria) votierte vehement für eine Verschiebung des Wettbewerbs auf den 1. Januar, den Bloody Mary Tag. Aber weil der bereits vorbei war und die Wettbewerber schon warteten, entschieden sich die Juroren, auf diesen Protest nicht einzugehen. Das ganze Protestieren konnte schliesslich nur mit einer Verkostung diverser Schnapssorten beschwichtigt werden.

Die fromme Helene beim Protest

Vor allem der katholische Klerus, der durch das fortwährende Zölibieren vermehrt an Sehschwäche, Rückenmarkschwund und geistiger Simplifizierung litt, fand den Beginn des Wettbewerbs sehr erheiternd. Bischof Radolf von Ploppeisen  kommentierte das Ereignis wie folgt: „Schnichen se bööhn gladden, broust!“, was von den Anwesenden mit grosser Zustimmung bedacht wurde, wenngleich sich nicht allen der Sinn dieser Aussage erschloss.

Es hub nun ein Testen, Verkosten, Degustieren und Schlucken an, das alles bisher Dagewesene in den Schatten stellte.

Hier sehen wir eine der vielen Verkostungsanordnungen

Gerne würde der Chronist hier über den Ausgang des Wettbewerbs berichten, über ein Finale furioso e glorioso, aber leider sind die Eintragungen mit fortschreitender Dauer des Wettbewerbs immer weniger zu entziffern, sowohl was die Kalligraphie betrifft, als auch inhaltlich zunehmend mysteriöser. Man geht aber davon aus, dass schliesslich ein Siegesgetränk gefunden wurde. Leider erinnerte sich niemand mehr, welches und die Dokumentation bricht in der 51.Stunde mit einem grossen, undefinierbaren Klecks ab……Es bleibt wohl nichts anderes übrig, als gelegentlich einen neuen Wettbewerb auszuschreiben.

Kategorien: Kultur