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Der nächste Sturm

Veröffentlicht von Ambros Braesius am

Seit Isaac Newton die Schwerkraft erfunden hat, ist es der Sinn des Lebens, gegen die Schwerkraft anzukämpfen, solange, bis die Schwerkraft siegt. Was sie immer tut und tun wird, solange die Antigravgeneratoren noch nicht erfunden sind. Auch Zivilisationen sind der Schwerkraft unterworfen. Sie richten sich auf, breiten sich aus und gehen dann wieder zu Boden und dann hinein in den Boden. Sagen die Archäologen. So ist der Lauf der Dinge. Das lebende menschliche Individuum muss also aufwärts oder zumindest – bei leichter Schräglage nach vorne – vorwärts streben, um nicht zu Boden zu gehen.

Die Vorfahren wussten schon vor Newton um dieses Naturgesetz und haben den Widerstand verschiedentlich nach langem Kampf entweder aufgegeben oder das Akzeptieren der Schwerkraft zu einem Weltwunder erhoben. Ein solches Weltwunder waren die hängenden Gärten von Babylon, oder sind immer noch die hängenden Gärten im Fickwalder Forst.

Also gemeinhin gilt es als Zeichen der Zivilisation, der Schwerkraft zu trotzen. So gingen unsere sehr frühen Vorfahren noch auf allen Vieren, begannen dann aber sich aufzurichten, um mehr Übersicht zu haben. Oder, um auf Bäume zu klettern. So konnten sie noch besser beobachten, was der Nachbar so trieb.

Nach den Auslassungen im Artikel wider die Krawatte als hängendes Zeichen der Selbstaufgabe in dieser Fachzeitschrift für Kulturelles (“der Krawattensturm”), müssen wir uns heute also einem weiteren unnötigen Kulturgut zuwenden, das vielen Männern, die heimwerkerisch unbegabt oder mit zwei linken Händen zur Welt gekommen sind, schon peinliche Momente beschert hat, oder den Damen im Moment der Wahrheit eine gewisse – aus unserer Sicht – unnötige Verlegenheit.

Es geht hier also um den Büstenhalter (Kurzbezeichnung “BH”) und um seine Beziehung zur weiblichen Brust, die wie alles, durch den Zahn der Zeit und durch ihre exponierte Lage in der vorderen, oberen Peripherie des Körpers, um dem Leser die anatomische Zuordnung zu erleichtern, meist als erstes Körperteil den Kampf gegen die Schwerkraft verliert und darum vermeintlich der Stützung bedarf. Solche Unterstützung gab es bereits im Altertum und im Mittelalter, wie archäologische Funde und Bilder beweisen.

Hier sehen wir eine Frau auf einer Hängebrücke. Ohne die vorgenommenen Gegenmassnahmen wider die Schwerkraft wären sowohl die Frau als auch die Hängebrücke auf dem Bild nicht vorhanden, so dass diese Abbildung gar keinen Sinn machen würde.

Wurde die weibliche Brust in der Barockzeit durch ein Mieder und dem dazugehörigen Décolleté wie auf einer Auslage eines mediterranen Früchteladens dem Blick des interessierten Beobachters möglichst einladend dargeboten, versuchte man im darauffolgenden viktorianischen Zeitalter die Existenz der weiblichen Brust zu verheimlichen, um nicht unnötige Gelüste zu wecken. Aber die Natur lässt sich nicht austricksen.

Hängende Birnen. Bild typähnlich (aus Rücksicht auf jugendliche Leser)

Immer noch ist die weibliche Brust als Erstkontakt mit der wohligen Wärme einer Mitmenschin und als Spender von Lebensenergie das erste Objekt der Begierde für alle ehemaligen Säuglinge und verdient somit besondere Anerkennung.

Und so musste in den dreissiger Jahren des 20. Jahrhunderts eine Amerikanerin ein Gerät entwickeln, das unter der Kleidung doch wieder auf die Existenz dieser fast vergessenen Körperteile aufmerksam machen sollte. Auf blinkende, die Kleidung durchdringende Lichtsignale wurde vorerst noch verzichtet, da die LED-Technologie noch nicht erfunden war. Auch akustische Signale wurden damals noch keine eingebaut.

Aber mittels Drähten, Fischbeinen und aufwändigem Polstermaterial wurde ein Behälter konstruiert, der dem Busen den notwendigen Auftrieb und die gewünschte Form verpasste, oft auch ein Volumen vortäuschte, das nicht vorhanden war. So konnte die Brust wieder in das öffentliche Interesse gerückt werden. Mittels eines anspruchsvollen Schlosses, das der Technik der Keuschheitsgürtelindustrie entlehnt und praktischerweise auf dem Rücken angebracht  war, wurde für einen ziemlich sicheren und der Öffentlichkeit schwer zugänglichen Verschluss gesorgt.

Viele angehende, unerfahrene Liebhaber mit ihren vor Vorfreude zittrigen, meist auch schweissfeuchten Fingern sind an diesen Verschlüssen gescheitert und haben sich anschliessend aus Scham das Leben genommen.

Wir müssen einräumen, dass bei stattlichen Busen zusammen mit sportlichen Aktivitäten ein Büstenhalter hilfreich sein kann, ansonsten ist bei diesem Kulturdoppelbeutel keinerlei Wert zu erkennen. Es sei hier nochmals an die hängenden Gärten von Babylon erinnert, wie gesagt, eines der sieben Weltwunder. Und es sei daran erinnert, welche Freude das natürliche Wogen und Wallen eines nicht künstlich eingeengten und eingesperrten Busens dem Betrachter und der Betrachterin machen könnte. Nach dem Markscheider Krawattensturm wartet die Bevölkerung Markscheids bisher vergeblich auf den anstehenden Büstenhaltersturm.

Kategorien: Kultur