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Knöllenbecks 10. Fall

Veröffentlicht von frcx am

Man sieht sich im Leben immer zweimal. Zu gerne hätte Knöllenbeck seine Begegnung mit Gertrud Schmalz-Gröber anlässlich seines Anti-Mobbing-Seminars vergessen, doch das Schicksal meinte es anders mit ihm. Knöllenbeck hatte sich auf eine freigewordene Stelle beworben, die mit einer Beförderung zum Kriminaloberkommissar verbunden war. Zu spät hatte er realisiert, dass es unter allen Bewerbern ein Auswahlverfahren geben, und dass ausgerechnet Gertrud Schmalz-Gröber dieses leiten würde.

Knöllenbeck hatte das Zielscheiben-Schießen und die Übung im Spuren-Sichern erfolgreich hinter sich gebracht. Jetzt saß er allein an einem kleinen Pult im Seminarraum in der oberen Etage des Kommissariats, und beantwortete Fachfragen, die ihm Kriminalrat Möller stellte, während Gertrud Schmalz-Gröber sich eifrig Notizen machte. Plötzlich wurde die schwere Eichentür zum Seminarraum aufgerissen und knallte laut gegen den Tisch mit der tibetanischen Klangschale. Ein Maskierter platzte herein. Er rannte zu Kriminalrat Möller, fuchtelte wild mit einer Pistole und forderte die Brieftasche. Ach ja, erinnerte sich der Amtsleiter. Schmalz-Gröber hatte ihm von dem Überraschungs-Rollenspiel berichtet. Ihr Assistent würde jedem Bewerber eine Straftat vorspielen, und diese mussten sofort reagieren. Der Clou war, dass die Bewerber davon vorher nichts wussten. Gelangweilt griff Möller in seine Jacke und zog die Brieftasche hervor. Der Maskierte riß sie ihm aus der Hand und verschwand wieder. Sofort sprang Knöllenbeck auf und verfolgte den Unbekannten. Aber schon nach wenigen Augenblicken kam er wieder zurück. „Er ist mir leider… entwischt“, berichtete Knöllenbeck kleinlaut. Kriminalrat Möller grinste wissend und wandte sich an Gertrud Schmalz-Gröber: „Die Reaktion war ja gut, aber das Ziel, den Raub zu vereiteln… Ist Ihnen nicht gut?“ Gertrud Schmalz-Gröber war kreidebleich. „Das… das… war nicht mein Assistent“, stammelte sie. „Das… war echt.“ Kriminalrat Möller begriff langsam. Er schaute Schmalz-Gröber mit eiskalten Augen an. Dann beugte er sich zu ihr herüber: „Ein Wort an die Öffentlichkeit, nur eine Zeile davon in Markscheid am Mittwoch, und ich mache Sie fertig“, raunte er der noch immer blassen Frau zu. Die nickte nur stumm.

So eine praktische Klangschale kann man eigentlich immer brauchen

Nach der Mittagspause waren dann die offiziellen Rollenspiele dran. Neben Knöllenbeck saßen jetzt auch die übrigen Bewerber im Seminarraum. Knöllenbeck schaute gelangweilt aus dem Fenster, als er Gertrud Schmalz-Gröbers säuselnde Stimme vernahm: „Herr Jost und Herr Knöllenbeck, wenn ich Sie beide mal nach vorne bitten darf?“ Ausgerechnet dieser Jost. Ein widerlicher Hipster-Streber mit Dreitagebart aus dem Drogendezernat, der den ganzen Vormittag über vermeintlich schlaue Fragen gestellt hatte. Selbst in den Pausen war er unaufhörlich um Schmalz-Gröber herumgeschwänzelt. Knöllenbeck kannte solche Typen. Und sie waren ihm zutiefst umsympathisch. Gertrud Schmalz-Gröber berührte mit dem Klöppel sanft die Klangschale. „Herr Knöllenbeck und Herr Jost, jetzt wollen wir uns mal ihrer sozialen Kompetenz widmen. Wir spielen eine banale Alltagssituation durch, und analysieren anschließend Ihre Interaktionen“, säuselte Schmalz-Gröber. „Die Situation: Herr Knöllenbeck steht in der Kaffeeküche neben der Kaffeemaschine. Und Sie, Herr Jost, kommen einfach dazu.“ Ein sanfter Gong ertönte und schon ging es los.
Jost: „Guten Morgen.“
Knöllenbeck: *schaute grimmig*
Jost: „Der Kaffee, ist der schon durch?“
Knöllenbeck: „Sieht man doch.“
Jost: „Den gebrauchten Kaffeefilter, kann ich den haben?“
Knöllenbeck: „Hehehe, klar können Sie den haben.“
Jost: „Oh, prima! Vielen Dank!“
Knöllenbeck: „Und was, bitte schön, machen sie mit einem gebrauchten Kaffeefilter, wenn ich mal fragen darf?“
Jost: „Ach, es ist nur wegen dem Pfand.“
Knöllenbeck: „Pfand? Was’n für’n Pfand?“
Jost: „Wegen Klima und so.“
Knöllenbeck: *schaute irritiert*
Jost: „Also, ich bringe den Kaffee-Kompost immer zurück zum Dritte-Welt-Laden und lasse mir die 50 Cent Klima-Pfand auszahlen. Die spende ich dann für Fridays for Future.“
Knöllenbeck: *schaute verächtlich*
Jost: „Also nochmal vielen Dank! Ich hole den Filter dann nachher in einem umweltfreundlichen Jute-Beutel ab.“
Knöllenbeck wußte selbst nicht, was ihn in diesem Augenblick überkam. Jedenfalls brach es aus der Tiefe seines Gemütes urplötzlich hervor: „Fick Dich, Du Öko-Heinzi! Fick Dich, Du Ausgeburt eines politisch korrekten Schleimers! Fick Dich, Du…“
„HERR KNÖÖÖÖLLENBECK!!!!“ Gertrud Schmalz-Gröber hämmerte wie wildgeworden auf ihre Klangschale ein.

Den Rest des Tages wurde Knöllenbeck in Ruhe gelassen. Nur wenige Tage später kam bereits der Brief mit dem Bescheid der Personalstelle. Knöllenbeck knüllte ihn zusammen und warf ihn ungelesen in den Papierkorb.

Kategorien: Kriminalität