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Knöllenbecks 9. Fall

Veröffentlicht von frcx am

Es herrschte beste Stimmung im Kriminalkommissariat. Knöllenbeck unterhielt sich mit seiner Kollegin Petra Fitzig, als Mara-Louise, die Schülerpraktikantin, ebenfalls ins Büro kam, nachdem sie sich in der Kaffeeküche eine Tasse Kräutertee aufgegossen hatte. Alle lachten und waren bester Dinge. Fitzig erzählte gerade davon, wie sie im Internet bei Amarschzon ein kleines Vorhängeschloss bestellt hatte. (Dafür fahre sie nicht extra mit dem Auto zum Baumarkt, fügte sie noch schnell hinzu, als sie Mara-Louises strengen Blick sah). Gestern nun sei das erwartete Päckchen gekommen. Es hätte zwar die richtige Größe gehabt, sei aber erstaunlich leicht gewesen. Als Fitzig neugierig öffnete, habe sie darin statt des bestellten Vorhängeschlosses, eine Packung Kondome gefunden. Beide Frauen lachten. Das Ganze war nichts weiter als eine lustige Anekdote, erzählt im Kollegenkreis. Niemand ahnte, dass nur wenige Sekunden später die langjährige Freundschaft zwischen Knöllenbeck und seiner Kollegin für immer zerstört wurde. 

„Das liegt an den Algorithmen“, erklärte Knöllenbeck und nippte am heißen Kaffee. „Algo…was?“, fragte Petra Fitzig. Knöllenbeck erklärte es ihr: “Ein Vorhängeschloss sorgt dafür, dass flinke kleine Kerlchen ihre Nase nicht zu tief in Dinge stecken, in denen sie nichts verloren haben. Genau wie ein Kondom. Die Algorithmen haben das analysiert und hinter Deinem vordergründigen Wunsch nach dem Vorhängeschloss, Deine wahren Bedürfnisse erkannt und Dir Kondome geschickt. Ich finde das durchaus aufmerksam.” Petra Fitzig begann heftig durch die Nase zu schnauben. Die Adern auf ihrer Stirn pochten. Knöllenbeck bemerkte davon nichts. Er nahm einen weiteren Schluck Kaffee und fuhr fort: „Ganz offensichtlich ergibt sich aus der Analyse Deiner Suchkriterien, dass Du zu wenig…“
„GENUG!“, fauchte Fitzig. „Das ist Mobbing!“, fiepte die Praktikantin. Knöllenbeck war perplex.
„Äh, die Algorithmen… also die denken, Du solltest mal öfter…“, stammelte Knöllenbeck.
“Frau Fitzig, das ist Mobbing!“, wiederholte Mara-Louise. „Lassen Sie sich das nicht gefallen!”

Zwanzig Minuten später. Knöllenbeck saß im Büro seines Amtsleiters. „Meine Güte, Knöllenbeck!“ Kriminalrat Möller schüttelte den Kopf. Knöllenbeck saß nur still da und sagte nichts. Er war lange genug im öffentlichen Dienst beschäftigt, um zu wissen, dass man Rügen durch Vorgesetzte am besten wortlos über sich ergehen ließ. Danach konnte man getrost wieder zur Tagesordnung übergehen. „Meine Güte, Knöllenbeck!“, wiederholte der Amtsleiter. Und als ob er Knöllenbecks Gedanken gelesen hätte, fügte er hinzu: „Diese Sache hat soviel Staub aufgewirbelt, da können wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.“ Knöllenbeck schluckte, als sein Chef fortfuhr: „Ich schicke Sie zu einem Anti-Mobbing-Seminar. Für besonders schwere Fälle.“

Ein nur scheinbar harmloses Paket …

Drei Wochen später. Gertrud Schmalz-Gröber berührte mit dem Klöppel sachte die tibetische Klangschale, die sie vor sich auf den Tisch platziert hatte. Sie war Anfang 60, hatte hellrot eingefärbte, kurze Haare und trug eine grell bunte Batik-Bluse. Wahrscheinlich in einem Volkshochschulkurs selbst gefärbt, vermutete Knöllenbeck. Er und noch 12 weitere Delinquenten saßen im Halbkreis auf harten Stühlen und harrten der Dinge, die da auf sie zukommen würden. Das sanfte „Gong“ der Klangschale wurde von den Wänden des schmucklosen Raums zurückgeworfen und hallte leise nach. „Meine lieben Kursteilnehmer, von meinem ganzen Herzen heiße ich Euch willkommen!“, begrüßte Gertrud Schmalz-Gröber die anwesenden Männer mit säuselnder Stimme, und begann dann über Gleichberechtigung, Feminismus und sexuelle Diskriminierung der Frauen durch alte weiße Männer zu dozieren. Die Teilnehmer hatten die undankbare Aufgabe, Beispiele für die aufgestellten Thesen nennen zu müssen. Jede „richtige“ Antwort wurde durch das harmonische Gong der Klangschale belohnt. Überhaupt schien Gertrud Schmalz-Gröber von diesem Ton ziemlich besessen zu sein, stellte Knöllenbeck fest, denn es vergingen keine zehn Minuten, in denen die Klangschale nicht mindestens einmal geschlagen wurde.

Der Tag zog sich hin wie Kaugummi. Am späten Nachmittag endlich bekamen die Kursteilnehmer eine letzte Aufgabe. Sie sollten ein Gedicht über partnerschaftliches Verhalten von Ehemännern im Haushalt schreiben und in einer Abschlussrunde vortragen. Jeder kritzelte etwas auf die bereitgelegten Kärtchen und nach zehn Minuten ertönte der unvermeidliche Gong. „Die Zeit ist um, meine lieben Kursteilnehmer“, säuselte Gertrud Schmalz-Gröber. „Wer möchte beginnen?“ Knöllenbeck hob die Hand. „Sie? Waren Sie das nicht mit dieser Kondom-Sache?“, fragte Schmalz-Gröber irritiert. „Jetzt bin ich aber mal gespannt“, fügte sie leicht misstrauisch hinzu. Knöllenbeck stand auf, räusperte sich, und enttäuschte sie nicht:

Nach den heutigen Hinweisen
sollten Männer aus gewissen Kreisen
nicht versuchen zu beweisen
sie könnten hantieren mit Bügeleisen
Auch soll man Frauen nie Gefallen erweisen
und sie auf keinen Fall lobpreisen
sondern stets entschieden abweisen
und ihnen mit einem alten Brecheisen
nachstellen und sie schließlich einkreisen
oder noch besser, lebendig verspeisen
wenn sie nicht schnell genug abreisen

Stille. Gertrud Schmalz-Gröber klappte der Unterkiefer runter.

Kategorien: Kriminalität