
Nur nicht den Kopf verlieren
Häufig berichtete man früher (seltener auch noch heute) vom sogenannten ‚Kopflosen Reiter‘. Durch Sagen und Legenden und deren Erzählung an die Kleinen hat man einen beachtlichen Grusel erzeugt. Die Kinder, Garanten der jeweiligen Zukunft, reichten diese Berichte weiter an ihre Nachkommen. Und so hat sich die Mär bis heute gehalten. Literatur, Comics, Filme und andere gewinnorientiert arbeitenden Medien haben damit vermutlich ihren Reibach gemacht.
Von Haus aus war dieser kopflose Geselle ein Wiedergänger (ein Untoter, Zombie oder dergleichen), der offenbar zudem auch noch reiten konnte. Dieser abartige Typ kam wohl aus West- oder Norddeutschland. Genaueres ist da nicht bekannt. Jedenfalls hat er jedem, der ihn durch Zufall traf, einen alsbaldigen Tod beschert.
Ich kann das verstehen, dieser Knilch hat doch nicht einmal gesehen, wohin er überhaupt ritt. Auch dem anatomisch Unbedarftesten müsste klar sein, dass Sehorgane, die ihn hätten leiten können, zumeist im Kopf angesiedelt sind, auch damals schon. Die meisten der Toten waren dann die bedauerlichen, zu Boden gerittenen Opfer, die überall herumlagen.
Nicht mal auf die berechtigte Frage: „Wohin des Weges, du kopfloser Reitersmann?“ hätte er irgendwie sinnvoll beantworten können, denn wie jeder weiß, wäre auch die Gusche, das Sprechorgan von Arm und Reich (gibt es doch eine Gerechtigkeit?) im fehlenden Nischel angesiedelt gewesen.

Mit Kopf reitet es sich doch viel leichter
Ich habe als Kind die modernere Version vom birnenlosen Reiter gesehen. Den kopflosen Motoradfahrer! Ja, auch in der DDR hat es Motorfahrzeuge gegeben. War eben doch nicht alles schlecht damals. Besagter Biker fuhr jedenfalls hinter einem LKW her, der Bleche geladen hatte. Eines dieser zumeist sehr scharfen Metallteile löste sich, marschierte los und ‚paff‘ hatte der Motoradfahrer keinen Kopf mehr, rollte aber noch eine Strecke geradeaus, bevor er tot umfiel.
Ganz ähnlich wie dieser berühmte Pirat. Der nach Kopf ab noch eine ganze Strecke an seinen Freibeuterkollegen vorbeilief, bevor Schluss mit Lustig war. Ich glaube, der hieß Störtebeker und die Piraten, an denen er noch nach Verlust seines Kopfes vorbeilaufen konnte, sollten wohl vom nachfolgenden Halsgericht verschont werden. Aber schon damals hielt sich die Obrigkeit nicht an ihre Versprechen und ließ wohl alle totmachen.
Ich jedenfalls war furchtbar geschockt nach diesem Vorkommnis, nach dem Unfall des Motoradfahrers, und ich habe recht lange gebraucht, um darüber wegzukommen. ‚Traumatisiert‘ nennt es wohl der Fachmann.