Miss Marmoppel und der Fall der verschwundenen Frau
Es war heiß und stickig im Revier von Markscheid und Miss Marmoppel war froh, umgehend einen Platz im Wartebereich zugewiesen zu bekommen. Zwar hatte sie noch immer nicht verstanden, was der komische Polizist mit dem Namen Knöllenbeck überhaupt von ihr wollte, seiner Einladung war sie aber trotzdem erwartungsfroh nachgekommen. Lag da vielleicht ein Kriminalfall in der Luft, dessen schrittweise Lösung ihren Vorstellungen von gelungener Freizeitgestaltung sehr entgegengekommen wäre?
Es sah hier fast ein bisschen aus wie im Wartezimmer einer Arztpraxis. Gut, es gab keine ausliegenden Zeitschriften und die Bilder an den Wänden (alles Darstellungen von Handschellen in den absurdesten Positionen und an den Handgelenken der merkwürdigsten Menschen) ließen sie eher ratlos zurück, aber immerhin hatte sie Gesellschaft. Direkt ihr gegenüber saß eine ältere Frau. Sie hatte schlohweißes Haar, trug eine stark verschmutzte Kittelschürze und dazu Herrenschuhe, die ihr erkennbar viel zu groß waren. Die Alte hatte sich zu den Schnürsenkeln heruntergebeugt und drehte deren lose Enden unter eigenartigen Grunzlauten auf ihre Finger auf.
„Guten Tag, mein Name ist Marmoppel, kann ich ihnen irgendwie helfen?“, meinte die zurückhaltende Engländerin, die schon lange aufgehört hatte, sich über die Menschen in Markscheid zu wundern.
Die alte Frau blickte ruckartig auf, sah ihr ins Gesicht und fragte dann: „Sind sie mein Sohn?“
Gut, die Unterhaltung versprach, sogar für markscheider Verhältnisse recht merkwürdig zu werden. Und genau in diesem Moment öffnete sich die Tür und Knöllenbeck betrat den Raum.
„Guten Tag, meine Damen. Ich habe leider nicht viel Zeit für sie. Im Altenheim ‚Zur ruhigen Kugel‘ ist eine stark verwirrte Frau abgehauen, die jetzt vermutlich durch die Straßen unserer Stadt irrt. Da werde ich dringend gebraucht. Was kann ich für sie beide tun?“
Miss Marmoppel sah den Kriminalbeamten an, schielte dabei verschwörerisch zu der Alten ihr gegenüber, nickte unauffällig in deren Richtung und meinte: „Bei dem Fall kann ich ihnen sofort helfen, Herr Knöllenbeck!“
Knöllenbeck sah sie kurz irritiert an und meinte dann nur: „Was haben sie denn mit den Augen und wer sind sie überhaupt?“
„Mein Name ist Marmoppel und sie hatten mich herbestellt …“, weiter kam sie nicht, denn in diesem Moment stand die Frau ihr gegenüber auf und fragte Knöllenbeck: „Kann ich hier Schuhcreme kaufen?“
„Nein, da müssen sie beim Revier raus und dann gleich scharf rechts die Straße runter bis zur nächsten Kreuzung.“
Miss Marmoppel reagierte sofort, als die Frau Anstalten machte, den Raum zu verlassen. Sie sprang auf und versuchte, die Alte am Rockzipfel festzuhalten. Und sie staunte nicht schlecht, als Knöllenbeck sofort bei ihr war und ihr einen Arm auf den Rücken drehte:
„Lassen sie mal sofort die Dame los, Frau Betthoppel, falls dies wirklich ihr Name sein sollte. Sie merken es vielleicht selbst nicht, aber Sie verhalten sich sehr, sehr merkwürdig.“
Und während die Alte in ihrer Kittelschürze das Polizeirevier verließ, schnappten bei Miss Marmoppel auch schon die Handschellen zu.
Knöllenbeck war die Ruhe selbst, als er verkündete: „Sie werden das alles jetzt natürlich nicht verstehen, weil sie komplett Balla Balla sind. Aber hier geschieht alles nur zu ihrem Besten. Gleich kommt meine Assistentin und dann machen wir ein schönes Foto von ihnen mit Handschellen, das es garantiert hier an eine der Wände schafft. Und später geht es zurück ins Heim. Vielleicht haben sie Glück und es gibt da später noch Gulasch.“