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Die tapferen Schneiderlein von Markscheid / Zweiter Teil

Veröffentlicht von Herbert Schwaderlapp am

– Die Prüfungen –

Wie sich die geneigten Leser vielleicht erinnern, wurde in Teil 1 des Artikels von der Heldentat der sieben markscheider Schneiderlein berichtet. Die gütige Bürgermeisterin erfuhr letztendlich davon, war davon recht angetan und lud die Sieben zu sich ein, um sie zu belohnen:

„Nun, das war schon bewundernswert, wie ihr das Flugmonster besiegt habt, aber um sicher zu gehe, dass es sich hierbei nicht um eine Eintagsfliege handelt, müsst ihr euch in weiteren Prüfungen beweisen, um die Belohnung zu erhalten. Als erstes habe ich hier den größten Apfelkuchen der Welt stehen, wie mir mein Hofbäcker Herr Blindissimus versichert hat. Niemand sei in der Lage, den Kuchen innert einer Stunde zu vertilgen. Wohlan, probiert ihr es und wir werden weiter sehen.“

„LOL!“ sagten die sieben wie aus einem Munde. „Das wird ein Leichtes sein und ein Festschmaus dazu“ und machten sich über den Kuchen her, so dass von diesem bereits nach wenigen Minuten nur noch ein paar Krümel übrig waren. „Ich sehe, man sollte euch nicht unterschätzen. Die nächste Prüfung wird demnach schwerer“ sprach die Bürgermeisterin und fuhr fort: „Ich halte als Hoftiere ein paar prächtige Säbelzahntiger, deren Fütterung ihr heute übernehmt. Dies hat bislang noch niemand, abgesehen von unseren Tierpflegern, überlebt. So wünsche ich euch viel Glück dabei, die Tierpfleger werden euch weiter instruieren – ich ziehe mich derweil lieber in meine sicheren Gemächer zurück.“

Zum Glück liegt hier jede Menge Stroh rum

Die Tierpfleger waren drei Brüder: Jacob, Wilhelm und Gustav Grimm. Sie kamen mit einem Eimer feinsten Fleisches auf die Schneiderlein zu und Jacob erklärte, dass dieses auf die Futterstelle in der Mitte des Säbelzahntigergeheges gelegt werden muss. „Kapier ich nicht“ sagte das erste Schneiderlein. „Und wenn das gar nicht genau die Mitte ist? Das muss man doch erst vermessen“, so das zweite. Das nächste sprach: „Und wie genau soll das Fleisch ausgelegt werden, damit es den Tigern mundet?“ Da wurde es Gustav Grimm zu bunt und er schrie erregt: „Ihr Idioten! Ich zeige euch, wie man das macht!“ Sprach`s, sprang wütend in das Gehege und stampfte energisch auf die Futterstelle zu. Die Säbelzahntiger, die von den Pflegern sonst ruhige Bewegungen gewohnt waren, fühlten sich wohl angegriffen und sprangen auf den armen Gustav zu, der alsbald mit Haut und Haaren verspeist war. Das Fleisch aus dem Eimer gönnten sich die Tiere als Dessert. Freudig sprangen die sieben Schneiderlein umher und riefen: „Sie sind gefüttert! Wir haben die Säbelzahntiger gefüttert!“ Darüber wurden die beiden übriggebliebenen Tierpflegerbrüder Grimm so grimmig, dass sie beschlossen, ihre Anstellung zu kündigen und fortan die sieben Schneiderlein, die ihren Bruder auf dem Gewissen hatten, mit allen Mitteln zu bekämpfen. Da sie schon immer gut im Erzählen von Geschichten waren, schrieben sie flugs die Geschichte unserer Helden um, so dass kein Monster mehr erledigt wurde, sondern nur ein paar Stubenfliegen. Und es waren auch nicht sieben Helden, sondern nur ein einziger.

Dass die Brüder Grimm mit ihrer Fake-Erzählung später einen solchen Erfolg haben werden, war zu diesem Zeitpunkt nicht vorauszusehen. Doch zurück zur wahren Geschichte: Die Bürgermeisterin hörte die Freudengesänge in ihren Gemächern, kam herab und stellte eine letzte Aufgabe: „So, meine lieben Schneiderlein, wenn ihr jetzt noch im Heuhaufen in meinen Gemächern eine Nadel findet, soll euch die Belohnung gewiss sein.“ Die Sieben lachten freudig, da sie als ehrbare Schneiderhandwerksgesellen natürlich Nadeln in der Tasche hatten, tauchten ins Heu ab und riefen alsbald, dass sie fündig geworden sind. „Jetzt weiß ich endlich, warum hier Heu rumliegt!“ stieß freudig erregt die Bürgermeisterin aus und sprang auch ins Stroh, um ihre Helden zu belohnen.