Dr. August von Trümmerlin
Aus der Reihe „Berühmte Töchter und Söhne Markscheids und deren Enkel“
Und wieder müssen wir eines kürzlich von uns gegangenen bedeutenden Markscheiders gedenken, der zu dem Ortsbild gehörte wie der seit dem letzten starken Winter geborstene Stadtbrunnen, der dem Klimawandel zum Trotz im klirrenden Frost kaputt ging, weil die Stadtverwaltung vergessen hatte, das Wasser abzustellen. „Wenn die Temperaturen mehrere Tage im zweistelligen Minusbereich bleiben, bersten auch des schönsten Stadtbrunnens Rohre.“ (Stellungnahme der Bürgermeisterin aus dem Home-Office in Fidschi)
Dem säumigen Stadtgärtner, der für diesen Verlust verantwortlich war, wurde natürlich fristlos gekündigt. Das änderte aber nichts daran, dass seither das Wasser über die Stadtpromenade sprudelt. Bereits hat sich auf dem Marktplatz ein kleines Sumpfbiotop gebildet, quasi eine erste kleine Exklave der Fickwalder Sümpfe. Die grüne Stadträtin Linn Hopfer- Wadenreich hat bereits angekündigt, sich für dieses Biotop bedingungslos einzusetzen und für seinen Erhalt bis zum bitteren Ende der Trockenlegung zu kämpfen. Aber zurück zum Gedenken:
Es geht um Markscheids einzigen Sozialforscher August von Trümmerlin, dessen Lebenswerk der Erforschung menschlichen Glücks und dessen Gegenspieler, dem menschlichen Leid gewidmet, irgendwie unbemerkt an uns vorüber gegangen ist. Weswegen wir nicht umhin können, ihn zu würdigen.
Woran sich aber die meisten von uns erinnern, ist seine leibliche Präsenz, wie er täglich auf Markscheids Promenade, dem Marktplatz, den Gassen, mit wehenden Rockschössen oder dem im Colombo-Style zerknitterten Regenmantel unterwegs war, um Passanten zu befragen. Wie er sich behutsamen Schrittes, den Kopf etwas schräg geneigt und nach vorne gestreckt, den ahnungslosen Passanten näherte. Meist von hinten, ihnen auf die Schulter tippte und mit freundlichem Lächeln fragte: „Sind Sie glücklich?“ Dieser geniale Einstieg verhalf ihm zu vielen Erkenntnissen über menschliches Leid, die er dann, nach der Phase des aufmerksamen Zuhörens, in sein Notizbuch notierte.
Ab und zu erfuhr er durch diese subtile Interviewmethode auch persönliches Leid, sichtbar an blauen Flecken im Gesicht oder notdürftig mit Tesa reparierter Brille, Spuren seines grossartigen Engagements für die Wissenschaft, Spuren, die glücklicherweise nach einigen Tagen wieder verschwunden waren. Nach solchen – aus wissenschaftlicher Sicht hilfreichen Begebenheiten – steuerte er meist die Kneipe „zum vorletzten Glas“ an, wo er dann fast immer allein an der Theke stand, kopfschüttelnd vor sich hin murmelte und Sätze wie „die Wissenschaft verlangt Opfer“ oder “Der Krug geht zum Brunnen bis er bricht, aber er geht trotzdem“ in sein Notizbuch kritzelte.
August von Trümmerlins frühes Ende wäre vermeidbar gewesen, hätte der Stadtgärtner das Wasser des Stadtbrunnens rechtzeitig abgestellt. Aber als der Brunnen bereits geborsten war und das Wasser lustig über die Promenade plätscherte, kam es erneut zu einem Nachtfrost, der den sonst einwandfrei griffigen Untergrund Markscheids in eine saubere Eisfläche verwandelte. Als Dr.August von Trümmerlin frühmorgens zielstrebig und geschwinden Schrittes vorbei kam, auf dem Eis ausrutschte und sich das Genick an einem Randstein brach, war sein Leben beendet, aber sein Werk, also seine vielen Notizbücher können im Stadtarchiv besichtigt werden und werden überdauern.