Der Blitzkastenknacker
Knöllenbeck, Kriminalkommissar, hatte wieder mal einen Bericht fertig – schon den zweiten in drei Tagen – und knallte seufzend einen Stempel darunter, wünschte sich Stempel, die bei jedem Stempeln kleine Explosionen auslösten, wie Böller. Alle würden aufschrecken und wissen, er hat es wieder geschafft! Der Fleissige.
Da wurde ihm erneut ein Terrorakt gemeldet. Wieder war einer der 45 neuen Blitzkästen, die die Stadt hatte aufstellen lassen um das anwachsende Defizit zu bekämpfen, warm abgebrochen worden (für Herrn Habeck: ein Defizit ist ein Betrag, den man nicht hat und der vermutlich jemandem geschuldet wird und der im Buchhaltungsprogramm, falls man eines hat, mit roten Zahlen gekennzeichnet ist. Hat aber nichts zu bedeuten und führt selten zu Insolvenz, weil, wenn man nicht bezahlen kann, heisst das bloss, dass der Geldfluss andernorts stattfindet; Anm. der Redaktion).
Die wie so oft in Finanznöten steckende Stadtregierung hatte gross investiert. Auf Druck der rot-grünen Fraktion im Stadtrat wurden neue Schulden gemacht. Und gleich investiert. In 45 Blitzkästen (nicht ganz billig, weil dafür je 380’000 € bezahlt wurden, d.h. 45 x 380’000=17’100’000 €). Diese Verkehrserziehungsgeräte und Geldbeschaffungsroboter sollten an überraschenden, weil wöchentlich wechselnden Standorten aufgestellt werden, um das Budget aufzubessern. Also ein Versuch, via Bussgelder einen Finanztransfer aus der Brieftasche der eiligen Verkehrsteilnehmer in die Kasse der grosszügig Geld ausgebenden Stadtregierung in die Wege zu leiten. Dies trotz des erbitterten Widerstands des eher konservativen Stadtrates Edi Blitzer (zuständig für Brot und Spiele). Der erst Ruhe gab, als ihm versprochen wurde, ihn vorab exklusiv über die wechselnden Standorte der vermaledeiten Radarkästen zu informieren (Merke: Nomen ist nicht immer Omen).
Kaum wurde die neue Geldbeschaffungsstrategie in Gang gesetzt, da begannen Vandalenakte gegen die Radarkontrollgeräte.
Es kam zu Linsenbesprühungen mit Fluorsäure, Sichtschutzwände oder Mülltonnen wurden vor die Geräte gestellt, ausserdem nahm der Verkauf von ‘Gegenmassnahmegeräten’ wie Warngeräten, Zurückblitzern etc. zu. Aber das hier war ein anderes Kaliber: zum dritten Mal hatte jemand einen der Kästen in die Luft gesprengt.
Also musste Knöllenbeck einen Augenschein nehmen. Diesmal lagen die teuren nun rauchenden Blechteile weit verstreut um einen ebenfalls rauchenden Trichter herum, der an einem vielbefahrenen Teilstück einer Hauptverkehrsachse (Markscheid hat – wie wir alle wissen – ungefähr drei davon) und der den Radweg zerstört hatte.
„Nanu, da hat sich’s jetzt aber ausgeblitzt“, dachte Knöllenbeck, „die Blitzkastengegner haben anscheinend aufgerüstet.“
Diese profunde Erkenntnis respektvoll verarbeitend, schaute er eine Weile der Spurensicherung zu und ging dann wieder in sein Büro.
Frau Fitze, die am Empfang gerade nichts zu tun hatte, beauftragte er, eine Recherche anzustellen, wer kürzlich zu grösseren Mengen Sprengstoff oder Minen oder ähnlich explosivem Zeug gekommen war. Evtl. durch Erbschaft, Diebstahl oder aus Bundeswehrbeständen, bei denen die Buchhaltung und Lagerung naturgemäss oft etwas kreativ war, wie die Opposition immer wieder böswillig behauptete.
Mit seinem Tagewerk zufrieden ging er in den Feierabend und bedauerte einmal mehr das viel zu frühe Hinscheiden der tüchtigen Kriminalassistentin Freudenreich. Sie hätte ihm sicher schon längst genaue Zahlen über Sprengkraft, Zündzeitpunkt, Splitterwirkung und Radius der Detonation geliefert und damit den Fall schon halbwegs gelöst. Ausserdem hätte sie ihm sicher vorgerechnet, wie viele Jahre ein solcher Kasten hätte arbeiten müssen, bis er seinen Gegenwert wieder herausgewirtschaftet hätte. Über diesen Gedanken musste er gleich noch ein Trauerbier bestellen.
Am nächsten Morgen überbrachte ihm Frau Fitze eine traurige Nachricht: Der jüngste Sohn(19) des Stadtrates Edi Blitzer war in der Nacht verunglückt, sogar in seine Einzelteile desintegriert, als er sich zu nahe an einem detonierenden Blitzkasten aufgehalten hatte. Im Auto des Verstorbenen hatten die Verkehrspolizisten dann neben Sekundenkleber auch Sprengsätze, Zeitzünder und verdächtige Anleitungen gefunden.
„Nanu“ dachte Knöllenbeck, „Tragisch ist das. Vom Klimakleber zum Blitzkastensprenger, was für eine bedauerliche Karriere eines vielversprechenden Politikernachwuchses.“