Die Internationale Biennale 2021 in Markscheid ist eröffnet!
In den letzten Wochen hat Ihnen die Feuilletonredaktion der MamM bereits einen kleinen Vorgeschmack darauf geboten, was Modern Art schon heute leisten kann. Zur Eröffnung der Biennale Markscheid 2021 laden wir Sie heute zu einer Vernissage der besonderen Art ein. Folgen Sie uns nun auf ein Festival der Sinne …
Falls Sie sich trauen.
Die ersten Schritte sollten den kunstbeflissenen Besucher in das vom neogotischen Bauhausbarock inspirierte Informations- und Dekontaminationszentrum der Biennale führen, das sich harmonisch in die idyllische Ruinenlandschaft der im letzten Jahr abgerissenen spätrömischen Lucullus-Latrinen schmiegt. Es wurde exakt nach kürzlich aufgefundenen Plänen aus dem Nachlass des 1989 verstorbenen italienischen Stararchitekten Riccardo Morandi, der im Jahr 2018 international durch die spektakuläre Selbstzerstörung des von ihm erbauten Polcevera-Viadukts in Genua sogar noch post mortem für Furore sorgte, in Rekordzeit von Holzkunst-Experten der markscheider Behindertenwerkstätten errichtet.
Mit virtuos angeordneten Wanddurchbrüchen in der Eingangshalle wird der Blick des Betrachters beim Betreten unwillkürlich durch den Eindruck ganz natürlich wirkender Augmented Reality in die Ferne gelenkt und reisst ihn damit auf beeindruckende Weise spontan aus seiner Komfortzone.
In den grösstenteils pseudokubistisch gehaltenen Innenräumen des Zentrums sollte der Besucher seine Augen stets für die Details der geschickt versteckten architektonischen Kunstgriffe Morandis, wie dem konsequenten Bruch mit dem von ihm als zu konventionell empfundenen rechten Winkel und den an vielen Stellen fast wie zufällig fehlenden Bodendielen, offenhalten. Seien sie versichert, lieber Kunstfreund, es lohnt sich!
Ein absoluter Publikumsmagnet des Besucherzentrums und gleichermaßen für Fachbesucher wie auch die an avantgardistischer Architektur interessierten Laien ein Faszinosum, ist sicher die schnurgerade gestaltete Wendeltreppe zur weder geplanten noch je gebauten Aussichtsterrasse im dritten Stock. Planen Sie hier lieber etwas mehr Zeit ein, auf dieser Treppe kam es schon heute zu einem Dauerstau staunender Bewunderer der kongenialen Entwürfe Morandis.
Wer von uns hat nicht schon einmal die Isländer um ihre zahlreichen, überall im Land für zahlende Touristen installierten Vulkane beneidet? Die schon oft gestellte Frage, warum nicht auch Markscheid über solch ein spektakuläres Exponat der Environmental Art verfügt, kann seit heute endlich mit einem eindeutigen „Ja, wir auch“ beantwortet werden. Keiner Geringeren als unserer Bürgermeisterin Beate Crohn-Corque gelang es, die isländische Vertreterin der noch relativ jungen Kunstform der Tectonic Art, Folkansdottir Steinstrømlassen, für das Projekt zu gewinnen. Auf der Biennale 2021 stellt die junge wilde Aktionskünstlerin im ehemaligen Fußballstadion des „FC Zwietracht Markscheid“ mit der audiovisuellen Eruptivplastik „Hades Project“ wohl unbestreitbar den bisherigen Höhepunkt ihres Schaffens aus. Acht Monate dauerten allein die Bohrungen am früheren Anstoßpunkt, bis die Künstlerin in einer Tiefe von 5500 Metern unter den Kellern von Markscheid auf das ergiebige Magmavorkommen stieß, mit dem sie ab heute das kulturbegeisterte Publikum der Biennale zur Auseinandersetzung mit dem Selbsterhaltungstrieb herausfordert.
Das „Hades Project“ hat die Konservatoren der bekanntesten Museen der Welt auf die Arbeiten von Folkansdottir Steinstrømlassen aufmerksam gemacht. Inzwischen hat sie bereits Angebote des Pariser Louvre und des New Yorker Museum of Modern Art für die Gestaltung noch apokalyptischerer Werke im Stil des „Hades Projects“ abgelehnt. Sie will sich jetzt erst einmal ganz auf ihr nächstes Projekt konzentrieren, die von ihr schon heute als umwerfendes Beispiel des Existentialismus angekündigte Wasserkunst beim Tokyo Tsunami Festival im Herbst.
Wie überlebende Besucher glaubhaft berichten, ist „Hades Project“ durch die schöpferische Wucht des eruptiven Expressionismus, mit der dieses Happening auf die Sinne des Betrachters mit seinen surrealistisch leuchtenden Eruptionen, unerschöpflich sprudelnden Lavaströmen und der olfaktorischen Erfahrung seines reichen Schwefelbuketts einwirkt, ein atemberaubendes Erlebnis. Unser Tip: Bleiben Sie bei Ihrem Besuch lieber etwas abseits des Mainstreams.
Die sensationelle Überraschung der Biennale Markscheid kommt allerdings in diesem Jahr aus einer vom überwiegend westlich geprägten Kunstbetrieb noch weitgehend unerforschten Gegend der Welt, aus Nepal. Von dort stammt der 65jährige Sherpa-Bildhauer Namgyal Norgay. Der Künstler, ein Enkel des Schwagers der Tante einer Cousine von Tenzing Norgay, einem der Erstbesteiger des Mount Everest, gilt unter Bergsteigern für seine Leistung, den Everest schon als Zehnjähriger im Alleingang barfuß bestiegen zu haben, als Legende. Bei seinen Bergtouren entwickelte er eher zufällig sein Talent zur Bildhauerei, als er aus Jux nur mit seinem Schweizer Taschenmesser naturalistische, von ihm „Yeti“ genannte Statuen von Fabelwesen aus Felswänden schlug, die inzwischen weltweit mythische Bekanntheit erlangt haben. Vielleicht, weil sie die ihm nachfolgenden Bergsteiger nicht selten zu Tode erschreckten.
Norgay hat sich für seinen ersten großen Auftritt auf der Bühne der internationalen Kunstwelt in Markscheid etwas ganz Besonderes einfallen lassen. In wochenlanger Arbeit zersägte der Bildhauer unermüdlich den 8091 Meter hohen Annapurna in Nepal komplett in grosse Blöcke und setzte diese auf einem extra dafür abgeholzten Teil des Fickwalder Forstes kreativ zu den imposanten Skulpturen von zwei Viertausendern, von ihm „Anna und Purna“ betitelt, wieder neu zusammen.
Der Volksmund der traditionell kulturbegeisterten Markscheider taufte sein Meisterwerk bereits in die „Fickwalder Nordwand“ um. Ob dieser Name allerdings Bestand haben wird ist zweifelhaft. Das Rijksmuseum Amsterdam hat, für alle überraschend, die beeindruckende Installation sofort nach der Eröffnung heute morgen bereits aufgekauft und will das Kunstwerk nach dem Ende der Biennale im September dauerhaft in den Niederlanden ausstellen. Namgyal Norgay zeigte sich von dieser Entscheidung überhaupt nicht erstaunt, schliesslich sei Amsterdam ja schon immer bekannt für den Handel mit Nepalesen gewesen.
Unser Tip: Versäumen Sie nicht die mitreissende Lawinenshow am Purna (täglich um 12:00 und 17:00 Uhr)!
Mit diesem letzten intellektuellen Protestmarsch zu den packendsten Attraktionen der Avantgarde zeitgenössischer Gegenwartskunst moderner Kreativer, die mit ihrer authentischen subjektiven Formensprache deutungsoffen die Wahrnehmung der verkrusteten bourgeoisen Begriffe der etablierten Kunst sprengen, möchte sich das Team der MamM Feuilletonredaktion für heute von Ihnen verabschieden. Auf uns warten schon neue aufregende Herausforderungen und sollten wir sie überleben, dann lesen Sie ja vielleicht schon bald an dieser Stelle unseren erregenden Bericht über die Höhepunkte auf der Internationalen Sexmesse in Kopenhagen.