Knöllenbecks 13. Fall (Erster Teil)
Es war ein idyllischer Nachmittag in Saint-Quadrille. Pierre und Jean-Luc saßen am Strand und schauten den Schiffen am Horizont zu. Das wilde Campen am Strand war, wie überall an der Mittelmeerküste, natürlich verboten. Doch das kümmerte die beiden nicht. Schon zu Mittag hatten sie auf dem feinen weißen Sand ein Lagerfeuer entzündet und sich, bei mehreren Flaschen billigen Bordeaux aus dem örtlichen Supermarkt, lautstark über Cécile amüsiert. Sie hatten Cécile, ein glückliches schweizerisches Au-Pair aus der Nähe von Delémont, vor dem Supermarkt aufgegabelt. Pierre und Jean-Luc konnten sich kaum mehr einkriegen, als Cécile behauptete, vor Saint-Quadrille einen Wal gesehen zu haben. Hier gab es bestimmt keine Wale. Irgendwann war Cécile dann beleidigt gegangen, während die beiden die restlichen Flaschen Rotwein leerten.
Als Jean-Luc mit leerem Blick in die Ferne starrte, bemerkte er jemanden im Wasser. „Ist das nicht Cécile, da draussen? Hat anscheinend doch einen Wal gefunden.“ Und tatsächlich: Cécile, die in ihrem neuen Bikini weit draußen im Meer schwamm, hatte urplötzlich Gesellschaft einer großen Rückenflosse, die sie hektisch umkreiste. Das Wasser war an dieser Stelle sonst tief dunkelblau, doch jetzt sprudelte es heftig und leuchtete in verschiedenen Variationen von hellrot bis dunkelrot. Cécile schien das Ganze sehr zu genießen, denn sie schrie laut und fuchtelte wild mit den Armen. Kurze Zeit danach konnten Pierre und Jean-Luc sie an der Wasseroberfläche aber nirgends mehr sehen. Wahrscheinlich mit dem Wal schnorcheln, vermuteten sie. War aber auch egal, dachten sich die beiden, die eine weitere Flasche Rotwein aufgemacht und inzwischen Gesellschaft von Ulla und Trulla, zwei schwedischen Touristinnen bekommen hatten. Zu ihrer großen Freude hatte Ulla gerade damit begonnen, ihren Bikini auszuziehen, um sich von den beiden mit Sonnenöl den Rücken einreiben zu lassen.
Zwei Tage später. Der Bürgermeister war entrüstet. So etwas hatte es in Saint-Quadrille noch nie gegeben. Eine Tote! Und übel zugerichtet noch dazu. Wer auch immer dieses schweizerische Au-Pair getötet hatte, hatte ihr auch noch die Beine abgerissen. Der Gendarmerie-Offizier zeigte schaudernd auf die Fotos: „Haben Sie das hier gesehen? Sieht aus wie ein Abdruck von Zähnen.“ Doch der Bürgermeister wollte nichts mehr davon hören. „Ich habe keine Zeit für diesen Quatsch! Schaffen Sie die Leiche fort und sehen Sie zu, dass niemand in Panik gerät! Außerdem…“ Es klopfte an der schweren Eichentür und einer der Stadtbediensteten steckte seinen Kopf durch den Türrahmen.
« Les Boches sont là ! » verkündete er. (Übersetzung: Die hochverehrten und allseits geschätzten Deutschen sind eingetroffen.)
Beate Crohn-Corque stolzierte in das Amtszimmer des Bürgermeisters von Saint-Quadrille wie eine Pop-Diva auf ihre Bühne. „Ah, Monsieur le Maire! Ich freue mich, Sie wiederzusehen!“, flötete Sie und ergriff die ausgestreckte Hand des freudig strahlenden Bürgermeisters. Hinter ihr trottete der Rest der deutschen Delegation in den Raum. Crohn-Corque ließ sich in ihrem Redeschwall nicht bremsen: „Wie schön, dass die Feierlichkeiten zum zehnjährigen Bestehen der Städtepartnerschaft zwischen Saint-Quadrille und Markscheid hier bei Ihnen, an diesem wunderschönen sonnigen Wochenende stattfinden!“, verkündete Sie mit einer Stimme, aus der die wichtige Wichtigkeit nur so tropfte. Der Bürgermeister setzte sein bestes Lächeln auf.
« Ah, Madame Crônne-Corque ! Quel plaisir de vous revoir ! »
Er strahlte seine deutsche Amtskollegin an: „Wann war unser letzt‘ Begegnung? Ah, oui ! Es war bei Ihrem Geburtstag. Sie feierten im Februar den runden…“ Crohn-Corque räusperte sich sehr laut und fixierte den Bürgermeister mit eiskalten Augen. Der begann plötzlich zu schwitzen. „Euh, ich meinte…“ Crohn-Corque verkniff die Augen zu schmalen Schlitzen. Der Bürgermeister wischte sich den Schweiß von der Stirn. In diesem Moment bemerkte Crohn-Corque die Fotos in der Hand des Gendarmerie-Offiziers. „Oh, wir haben von diesem bestialischen Mord schon gehört. Haben Sie den Täter bereits?“, fragte sie und zog die Stirn zu kleinen Falten zusammen. Der Bürgermeister war äußerst dankbar, das Thema wechseln zu können. „Eh bien…, wir ver’ören gerade zwei Verdächtige, die betrunken am Strand gammelten. Angeblich ‚ätte die Schweizerin mit einem Wal gespielt. Je vous en prie ! Es gibt keine Wale vor Saint-Quadrille! Rückenflosse ‚in oder ‚er!“ Ganz hinten in der deutschen Delegation erklang die Stimme von Kriminalkommissar Knöllenbeck: „Das war ein Hai.“ Alle drehten sich um und starrten ihn an.
Wie wird der Hai letztlich aus der Bucht von Saint-Quadrille vertrieben? Und welche entscheidende Rolle spielt Knöllenbeck dabei? Lesen Sie die Fortsetzung in Kürze hier bei Markscheid am Mittwoch.