Knöllenbecks zwanzigster Fall (Teil 2)
Teil 2: Jacqueline dreht auf
Knöllenbeck hatte mit so ziemlich jedem auf der Rennbahn gesprochen. Niemand hatte etwas gesehen oder gehört. Keine Spur von “Furious”. Knöllenbeck sah auf die Uhr und beschloss, es für heute gut sein zu lassen. Er ging mit seiner Assistentin Jacqueline Freudenreich zurück zum Wagen, den er am Rand der großen Pferdekoppel geparkt hatte, um zurück ins Kommissariat zu fahren. Plötzlich blieb Jacqueline stehen.
“Hören Sie das?”, fiepte sie und bedeutete Knöllenbeck, still zu sein. “Was soll ich hören?”, fragte Knöllenbeck und öffnete die Wagentür. “Ein Wiehern. Wie von einem Pferd. Es kommt von da oben!”, fiepte seine Assistentin und zeigte auf einen bewaldeten Hügel. Knöllenbeck hörte nichts. “Kommen Sie!”, fiepte die junge Frau und begann einen schmalen Waldweg bergauf zu laufen. Knöllenbeck blickte erneut auf die Uhr. Widerwillig folgte er ihr schließlich. Als er nach zehn Minuten laut ächzend oben ankam, fand er sie neben einem Pferd stehend, das an einer kleinen Hütte angebunden war.
“Ok”, schnaufte Knöllenbeck. “Das ist also ein Pferd. Können wir jetzt fahren?”, fragte er, noch immer ausser Atem. “Nicht irgend ein Pferd”, fiepte Jacqueline triumphierend. “Das ist ‘Furious’!” In diesem Moment ging die Tür der Hütte auf und Baron von Dorschewitz, der Besitzer der Rennbahn, trat mit einem Ballen Heu nach draussen. Er sah Knöllenbeck und erbleichte. “Wie… wie haben Sie mich gefunden?”, fragte er fassungslos. Plötzlich kam Leben in Jacqueline Freudenreich. “Jetzt wird mir alles klar!”, fiepte sie. “Das Pferd gewinnt jedes Rennen. Das treibt Sie als Inhaber der Rennbahn natürlich in den Ruin. Deshalb haben Sie ‘Furious’ entführt!”. “Jeder setzt nur noch auf das Scheiss-Pferd”, gab der Baron kleinlaut zu. “Todsicher Tipp, dieser Drecks-Gaul”, fügte er sarkastisch hinzu.
Knöllenbeck hatte gar nicht zugehört. Er starrte völlig entgeistert auf seine Uhr. Schon fünf Minuten über der tariflich festgelegten Arbeitszeit! Das bedeutete Ärger. Sowas sah die Personalstelle nämlich gar nicht gerne. Zurück im Büro würde er einen Überstunden-Antrag für sich und die Freudenreich ausfüllen, von Kriminalrat Möller unterschreiben lassen und damit zu Frau Urban gehen müssen, der zuständigen Sachbearbeiterin bei der Personalabteilung. Er hasste Frau Urban. Er hasste den ganzen Papierkram. Noch mehr hasste er es aber, sich vor seinem Chef für Überstunden rechtfertigen zu müssen. “Herr Knöllenbeck! Er hat gestanden!” Jacqueline Freudenreich war ganz aus dem Häuschen. Knöllenbeck schaute von der Uhr hoch. “Wer hat gestanden?”, fragte er verwirrt. “Der Baron! Der Fall ist gelöst!”, fiepte Jacqueline. “Der Fall ist … gelöst?”, wiederholte Knöllenbeck ungläubig. Tausend Fragen schossen gleichzeitig durch Knöllenbecks Kopf: Wieso war der Fall gelöst? Konnte man einen Fall überhaupt lösen? Warum hatte ihn niemand informiert, bevor er zur Rennbahn aufgebrochen war? Woher wusste seine Assistentin, wer der Täter war? Aber viel, viel wichtiger, die wichtigste Frage überhaupt: Wie sollte er jetzt noch Kriminalrat Möller seine Überstunde erklären? “Kommen Sie”, fiepte Jacqueline Freudenreich und nahm Knöllenbeck am Arm. “Wir können jetzt fahren.”