Dem Weihrauch, oder wie der Weihrauch trotzdem nach Markscheid kam
Aus der Reihe: Das klerikale Treiben in Markscheids Kirchengeschichte
Obwohl der Weihrauch schon in antiker Zeit gebraucht wurde, um zivilisatorische und spirituelle oder auch heilkräftige Duftmarken zu setzen, hielt man in Markscheid bis ins 15. Jahrhundert nichts von derartigem neumodischem Schnickschnack. Wie auch der Markscheider an sich schon damals nicht viel von Zivilisation hielt. Jahrhundertelang hatte die Kirche falsche Informationen über den Weihrauch verbreitet, um dieses seltene, kostbare, moderne Zeugs zu verunglimpfen und dem Pöbel vorzuenthalten; wie immer bringt nun MamM die Wahrheit und nichts als sie.
Vergegenwärtigen wir uns, dass das Mittelalter eine Epoche der starken Düfte war; sanitäre Anlagen gab es in den Städten, wenn überhaupt, nur in Topfform. Der Inhalt dieser Behälter – vorwiegend menschliche Ausscheidungsprodukte – wurden frühmorgens auf die Gassen entleert. Vermutlich entstand darum die Notwendigkeit, Regenschirme zu erfinden, aber das ist eine andere Geschichte. Die wenig verbreiteten öffentlichen Bäder, die man sich in gebildeten Kreisen einmal monatlich oder vor Ostern, Pfingsten und Weihnachten zumutete, waren mehr ein Ort des unzüchtigen Treibens und des Nachrichtenaustauschs als ein Ort der Hygiene. Die Erfindung von Zeitungen oder gar von Toilettenpapier liess noch Jahrhunderte auf sich warten. Abgesehen von den insgesamt würziger riechenden Körpern der Gläubigen gab es auch damals schon das Entsorgungsproblem für Verstorbene, die sich meist nach 2 Tagen geruchlich wieder zu Wort melden, da sie sonst nichts mehr zu sagen haben.
Auch in Markscheid pflegte man zu diesen Zeiten die Verstorbenen unter der Kirche zu begraben. Gerade die ärmeren Verstorbenen ohne Grundbesitz mussten sich nach ihrem Ableben die letzte Ruhestätte mit vielen anderen teilen. Da wurden dann ein paar Bodenbretter in der Kirche entfernt und man legte die Verstorbenen selig in die Grube, wo sie dem Zahn der Zeit überlassen wurden. Die feuchte Bodenbeschaffenheit Markscheids nahe der Fickwalder Sümpfe trug dann das ihre dazu bei, dass unter der Kirche ein richtiger Leichensumpf entstand, dessen übelriechende Gase korrosive Eigenschaften entwickelten und die Bodenbretter mürbe und für den Gestank durchlässiger machten.
Mit der Zeit begannen sich sogar die Markscheider Gläubigen, nicht heikel, was Gerüche betrifft, zu beklagen, dass ein unheiliger Geruch nach Tod und Verwesung in apokalyptischem Ausmass die Andacht der Sonntagsmessen störe. Und als schliesslich eines Sonntags eine vollbesetzte Kirchenbank mit betenden Gläubigen durch den morschen Boden brach und die Gläubigen bis zum Hals im Leichensumpf, einem grausigen Gemisch von Adipocire (Leichenwachs) und anderen Zersetzungsprodukten, steckten, war das Mass voll. Man sagte also dem Teufel, der immer der Verursacher solch übler Ereignisse ist, den Kampf an:
Der Bischof erlaubte nun, gegen den Gestank einzuschreiten und man besann sich, da Zwiebeln und Knoblauch in den Testversuchen versagt hatten, auf die wohltuende Wirkung des Weihrauchs.
Es hub in der Kirche ein Räuchern und Dampfen an, was das Zeug hielt und bald schon konnte sich am Ort der Besinnung wieder eine heilige, harmonische Atmosphäre ausbreiten. Die Bodenbretter wurden durch Steinplatten ersetzt, die Fäulnis verbannt, und von diesem Tag an wurde der Weihrauch offiziell zum chemischen Kampfstoff gegen das Böse erklärt. Seither gehört dieses Harz zum festen Bestandteil der katholischen Liturgie und hat sich erfolgreich gegen die Konkurrenz der Räucherstäbchen halten können.