Der Marschtritt der alten Geister
Wir leben in herrlichen Zeiten. Die deutsche Wirtschaft strebt stetig neuen Höhenflügen entgegen, Inflation ist ein Fremdwort und nur noch unsere älteren Mitbürger können mit dem Begriff „Insolvenz“ etwas anfangen. Unter der professionellen Führung einer klugen und bürgernahen Regierung ist der alte Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit aufgehoben, alle Energieprobleme und die gesamte soziale Frage sind gelöst und das Land ist sicher wie nie.
Doch wer in diesen Tagen, so am Beginn des neuen Jahres, einmal nachts nicht schlafen kann, wer trotz all dem Glück und aller Seligkeit der Stille des Abends lauscht, der kann ihn hören: Den Marschtritt der alten Geister. Und er wird lauter.
Zwei Feinde nur hat die Republik, aber die haben es in sich. Seit Jahrzehnten lauern sie auf die Chance, unseren Arbeitern ihre geräumigen Schlösser und den Angestellten ihr fünfzehntes Monatsgehalt zu nehmen. Es sind nur Geister, aber sie haben ihre Hoffnungen nie aufgegeben. Und 2024 könnte ihre Stunde gekommen sein.
Der erste Geist ist der Feind von außen. Während noch ein Konrad Adenauer die Zügel unseres Staates in der Hand hielt, hatte jeder Bürger seinen Namen spontan parat, um schlimmstes abzuwenden. Heute hat die Wachsamkeit leider stark abgenommen, aber helle Köpfe in unserer Regierungsmannschaft sind dabei, das Volk wieder zu sensibilisieren.
Dieser Feind steht im Osten, droht, uns unseren Wohlstand zu nehmen und will sich in unseren Partykellern breit machen, sobald er erst sein aktuelles Opfer niedergerungen und verdaut hat. Königsberg reicht ihm nicht, jetzt will er auch noch an die Sahnestücke wie Gelsenkirchen oder Wurzen.
Siegt dieser Feind, dann wird er uns zwingen, von Currywurst und Döner auf Borschtsch und Wareniki umzusteigen. Kein deutscher Rap wird mehr erklingen, dafür Kasatschok rund um die Uhr. Wer jetzt schon Probleme mit den Knien hat, der sollte sich zurecht fürchten.
Der zweite Geist ist der Feind von innen. Er steht rechts, hat sich gut getarnt und sich von seiner früheren Vorliebe für feldgraue Bekleidung verabschiedet. Er gibt sich heute als „Opposition“.
Er möchte unsere Gesellschaft militarisieren, uns auf künftige Waffengänge vorbereiten, uns kampftauglich machen und ein nicht vorhandenes Milliardenvermögen für neues Kriegsgerät verballern. Aus rein taktischen Gründen lässt er dabei derzeit noch der Regierung den Vortritt. Er gibt sich friedensliebend, aber wir durchschauen ihn.
Und wenn Du, lieber Bürger, nun erst die Dramatik der entstandenen Situation verstanden hast, dann zieh nicht wieder die Bettdecke über den Kopf. Richte dich auf und sage laut: Ich vertraue Berlin und will weiterschlafen!