Die Namen der drei Rosen / 2.Teil
Mag ich auch heute ein alter Mann sein, der vor dem Ende seines Lebens steht und sich bald schon vor dem ewigen Richter für sein sündhaftes und lastervolles Treiben rechtfertigen muß, so habe ich doch bis zum heutigen Tage nicht die beklemmende und bedrückende Atmosphäre in der Markscheider Abtei vergessen, in der wir nach unserem Eintreten von einem buckligen, hinkenden Mitbruder empfangen wurden. Er führte uns nach kurzer Begrüßung ins Scriptorum des Klostergebäudes.
Ich war überrascht, wie klein die Räumlichkeit war. Offenbar waren unsere Markscheider Mitbrüder eher auf das Beten konzentriert, als auf schriftliche Zeugnisse unseres Glaubens. Oder auf gänzlich andere Dinge … Jedenfalls erwarteten uns hier bereits zwei Brüder und zu meiner namenlosen Überraschung auch eine Schwester.
Mein Meister begrüßte sie mit einer tiefen Verbeugung und sprach sie dann als erste an: „Schwester Annamagdalena, ich freue mich sehr, euch wiederzusehen und darf Dir die Grüße unseres Heiligen Vaters ausrichten. Möge unser Treffen ein Erfolg werden!“. Die Angesprochene lächelte und antwortete dann mit den kryptischen Worten: „… und in seinem Eistee!“
Meister Wilhelm lächelte gleichfalls und meinte: „Ja, und natürlich auch in seinem Geiste“. Dabei flüsterte er mir leise ins Ohr: „Schwester Annamagdalena ist Oberin der Schwesternschaft des Markscheider Nonnenklosters. Leider hat sie eine erhebliche sprachliche Beeinträchtigung. Und es ist nicht ihr einziges Problem.“
Nun näherte sich einer der beiden Brüder und sprach meinen Meister direkt an: „Wir haben lange auf euch gewartet, mein lieber Bruder …, äh … wie war noch gleich euer Name, mein lieber Bruder?“ woraufhin dieser umgehend antwortete: „Wilhelm, lieber Abt, mein Name ist Wilhelm.“ Und wieder sprach mir der Meister ins Ohr: “Bruder Schloz ist leider sehr vergesslich. Und Abt ist er hier nur, weil die Auswahl sich auf ihn und einen Benediktiner von überschaubarer Geisteskraft beschränkte, der stets an den falschen Stellen des Gebetes lachen musste.“
Der Dritte, der uns im Scriptorium erwartete, war der Kämmerer der Abtei, Birkner: „Bruder Wilhelm, ich freue mich, euch und euren jungen Novizen in Markscheid begrüßen zu können. Und ich sage immer, daß es besser ist, jemanden gar nicht zu begrüßen, als ihn falsch zu begrüßen!“
Mein Meister erwiderte freundlich auch diesen Gruß und meinte nur zu mir: „Und er ist der schlimmste von allen.“
Nachdem wir an einem größeren, natürlich völlig ungenutzten Schreibtisch Platz genommen hatten, eröffnete Abt Schloz das Treffen mit den denkwürdigen Worten: „So lasset uns erst beten, wie es der Herr uns gelehrt hat. Ähhh …, wie hatte es uns der Herr noch mal gelehrt, Bruder …, ähhh …?“ Ab hier nun übernahm mein Meister die Leitung.
Ich sollte jetzt erfahren, in welcher geheimen Mission unser Heiliger Vater meinen Meister nach Markscheid geschickt hatte. In den nächsten beiden Stunden wurde ein Wandel eingeleitet, der das Schicksal der Christenheit für Jahrhunderte entscheidend prägen sollte und obwohl es mir nicht zusteht, darüber zu richten …
Doch alles dies im nächsten Teil meiner Niederschrift.