Knöllenbeck und die Heizungen Teil I
Wieder mal wurde der beste und einzige Kriminalkommissar Markscheids an einen grausigen Tatort gerufen. Zusammen mit seiner Assistentin, dem pfiffigen Fräulein Jacqueline Freudenreich, kamen also die beiden Kriminalisten zu einem malerischen, d.h. maximal renovationsbedürftigen, älteren Haus, aus dessen Fenster im ersten Stockwerk eine Leiche hing. Also vermutlich eine Leiche, weil sich da nichts mehr bewegte und der weit aufgerissene Mund der Person schon lange in der gleichen Position, eben weit aufgerissen, geblieben war. Ausserdem war da ein kleines Loch in der Mitte der Stirn zu sehen. Daraus tropfte etwas Blut auf die Hortensien unter dem Fenster.
„Er ist tot“, sagte sie. „Ja“, meinte er, „vollständig tot.“ „Aber den Sturz aus dieser Höhe hätte er eh nicht überlebt.“ „Das sind mindestens 3m 23cm, so geschätzt,“ meinte sie. „Ja, mindestens. Stürze aus grosser Höhe überlebt der Mensch nie.“ Als das geklärt war, gingen die beiden ins Haus, wo sie bei einem Sanitäter eine in Tränen aufgelöste Frau vorfanden.
„Was ist geschehen?“ fragte Knöllenbeck und zückte seinen Notizblock. Die Frau schluchzte. Er wartete. Schliesslich sagte sie: „Wir schliefen, da rumorte es plötzlich vor dem Fenster. Mein Mann stand auf, öffnete das Fenster, schaute runter und rief: Was tun tun Sie da? Ich rufe die Po…“ Da knallte ein Schuss, mein Mann sackte auf den Fenstersims und bewegte sich nicht mehr. Sein letztes Wort war `Po…`“ Sie schluchzte erneut und schneuzte in ein Taschentuch. Knöllenbeck schrieb „Polen?“ in sein Büchlein und wartete.
„Danach rumorte es weiter, ich rief den Notruf an und gleich darauf fuhr ein Auto weg.“
„Aha“, Knöllenbeck schrieb „Notruf, Auto“ und kritzelte einen Pfeil daneben.
„Wie lange hat es rumort und: Was denken Sie, was geschehen ist?“
„Mein Mann wurde erschossen und der Wärmetauscher wurde gestohlen.“ „Der Wärmetaucher?“ Knöllenbeck runzelte die Stirn. „Der Wärmetauscher, die Wärmepumpe! Wir haben vor einer Woche eine neue Heizung installieren lassen und nun ist sie weg!“
„Weg? Die kann doch nicht einfach plötzlich weg sein?“ Ein Kommissar glaubt nicht immer alles, was man ihm erzählt. Fräulein Freudenreich, die Kriminalassistentin sprang hilfreich ein: „Die neue Heizung hatte wohl eine Wärmepumpe vor dem Haus?“
„Ja genau!“ Zum Kriminalkommissar gewandt, erklärte die Assistentin: „Das ist ein kühlschrankgrosses Gerät, das meist vor dem Haus steht, Wärme aus der Umgebungsluft extrahiert und diese dann an die Heizung weitergibt.“ Knöllenbeck war immer noch skeptisch. „Wie soll denn das gehen, wenn es draussen kälter ist als drinnen? Aber was soll’s, was kostet ein solcher Wärmechanger?“ Er gab sich – obwohl kein Freund von Anglizismen und in der Wärmepumpentechnik unerfahren – weltmännisch überlegen.
„Die sind sehr teuer, weil es nicht genug gibt, mein Mann hat …, hatte Beziehungen und konnte grad noch einen der letzten Verfügbaren bekommen.“
Knöllenbeck steckte seinen Notizblock wieder weg. „Es scheint sich also um einen Heizungsdiebstahl zu handeln, bei dem die Diebe gestört wurden und geschossen haben. Also lassen wir die Spuren sichern, die Kugel im Kopf ihres Mannes wird mit Sonden und Bohrern extrahiert, forensisch untersucht, dann werden die Diebe eruiert und sicher, ähm … Also meistens finden wir die Täter und dann bekommen sie ihre Heizungsapparatur wieder zurück.“ Knöllenbeck tätschelte der Frau zuversichtlich die Schulter und wandte sich zum Gehen. „Wir finden die Diebe, gute Frau, keine Sorge!“
Als Knöllenbeck im Revier war, erfuhr er von weiteren Fällen von Wärmepumpen-Diebstahl. Alle waren fachgerecht demontiert worden und nun verschwunden. Knöllenbeck freute sich. Endlich wieder mal eine grosse Sache! Es schien sich also um eine gut organisierte Bande mit Wärmepumpenkenntnissen zu handeln.
„Wärmepumpenkenntnisse“, was für ein schönes Wort! Knöllenbeck liess sich dieses Wort mehrmals geniesserisch über die Lippen gehen und setzte sich.
Sicher wird auch dieser haarsträubende Fall von Ökoterrorismus aufgeklärt werden, fragt sich nur wann …