Miss Marmoppel und der Mikado-Mord
Langsam glitten seine Hände unter ihren kurzen Minirock. Mit zittrigen Fingern öffnete sie den Reissverschluss seiner Jeans. Sie legte sein obszön-grosses Teil frei und ging dann auf die Knie. Sanft berührte sie ihn mit den Lippen und ihre Zunge umkreiste zärtlich sein auffallend gut gewachsenes Teil. Er begann zu stöhnen, zuerst noch verhalten, dann immer lauter und fordernder. Unvermittelt stand sie auf und gab seinem Oberkörper einen kräftigen Schubs. Nur allzu willig liess er sich rücklings in das weiche Daunenbett fallen. Sie spreizte ihre langen, frisch gewachsten Beine und setzte sich dann auf ihn. Sie schaute ihm erregt-lustvoll in die Augen. Er hob die Arme, wollte ihren makellosen Busen umgreifen, als plötzlich …
Miss Marmoppel klappte das Buch zu. Was für ein Schund. Wieso gab es neuerdings in jedem Kriminalroman diese überflüssigen Sex-Szenen? Welcher Blödmann will so etwas lesen? Soll ein Blödmann doch selbst eine Sex-Geschichte schreiben, wenn ihm soviel daran liegt. Miss Marmoppel legte das Buch zur Seite und schaltete das Radio ein. Es war irgendeine Ratgeber-Sendung. Hörer konnten Fragen einsenden und es wurden Experten ins Studio geholt, die zu allem Rat wussten. Die Hörer wurden dann angerufen und konnten mit dem Experten diskutieren. Die Fragen waren oft ziemlich dämlich. Gerade ging es darum, ob ein Mofa mit ausgeschaltetem Licht schneller fährt, als mit eingeschaltetem Licht. Der junge Mann, der die Frage eingesandt hatte, behauptete das zumindest. Der Experte faselte etwas von Kriechströmen, Zündungen und korrodierten Kabeln. Dann bedauerte er, dass man den Fragesteller leider telefonisch nicht erreichen könne, obwohl man es in den letzten zwei Wochen mehrmals versucht hatte. Miss Marmoppel wechselte den Sender. Auf Kulturradio Markscheid lief eine Reportage über „Mikado-Mike“, einen Künstler, der für seine Mikado-Installationen bekannt war. Er jammerte, dass sein Atelier am Emscher-Promenadenweg zu klein für sein nächstes Projekt sei. Er wolle sich nicht länger mit Mikado-Installationen aus Zahnstochern oder japanischen Essstäbchen begnügen, sondern plane etwas richtig Grosses, ein Riesen-Ding. Die Markscheider würden noch Augen machen. Mehr wollte er aber nicht verraten. Miss Marmoppel seufzte. Sie schaltete das Radio aus und beschloss, Einkaufen zu gehen.
Im Supermarkt liebte es Miss Marmoppel, die Zettel zu lesen, die Kunden mit Tesa-Film am Schwarzen Brett neben dem Bäckerei-Stand aufhängen durften. Aber im Augenblick hörte sie gebannt einer hübschen jungen Blonden Frau zu, die sich in der Schlange vor den Backwaren mit ihrer Brünetten Freundin unterhielt:
Blonde: Ja, ein katholischer Linkshänder, etwa 18 Jahre alt.
Brünette: Und da schaute nur noch ein Fuss unter dem Holzstoss hervor?
Blonde: Ja, auf der Rückseite.
Brünette: Und Du sagst, er war schon zwei Wochen tot?
Blonde: Es war fürchterlich. Der Gestank. Ekelhaft.
Brünette: Und er trug eine Motorrad-Kluft?
Blonde: Ja, sogar der Helm war eingedellt. Wir konnten aber kein Motorrad finden.
Brünette: Wir? Du meinst diesen ungepflegten Typ, Deinen Vorgesetzten?
Blonde: Als mich Kriminalrat Möller damals einstellte, sagte er nicht, dass ich die Assistentin von diesem Vollidioten werden würde.
Brünette: Du Arme.
Blonde: Und dann hat er den Fall einfach abgeschlossen. Einfach so. Und wir werden nie erfahren, wer der junge Mann war, was er im Wald machte, wie er unter den tonnenschweren Holzstoss kam und warum wir kein Motorrad gefunden haben.
Brünette: Ja, schade.
Die beiden jungen Frauen kamen an die Reihe, kauften ihr Brot und gingen weiter. Miss Marmoppel war aber kein Wort der Unterhaltung entgangen. Sie widmete sich wieder den Zetteln am Schwarzen Brett. Eine kleine handschriftliche Notiz fiel ihr besonders ins Auge: „Motorrad im Wald gefunden. Abzuholen bei Michael Mikastopolos, Emscher-Promenadenweg 15“. Und dann machte es im Kopf von Miss Marmoppel *Klick* und alle Puzzleteile fügten sich auf einmal zusammen: Michael Mikastopolos war niemand anderes als „Mikado-Mike“. Das Riesen-Ding, dass er vorhatte, war eine Mikado-Installation aus Baumstämmen im Wald. Spät abends war dann der junge Mann, der aus der Radio-Ratgebersendung, unterwegs gewesen. Er hatte es wohl eilig, hatte eine Abkürzung durch den Wald genommen und war ohne Licht gefahren, weil er glaubte, so noch schneller zu sein. Der Unglücksrabe war in die Mikado-Installation gekracht und darunter begraben worden. Als am nächsten Morgen Mikado-Mike vor den Trümmern seines Kunstwerks stand, konnte er den Fuss auf der Rückseite nicht sehen. Er fand nur das Motorrad, dass er mitnahm.
Ach, manchmal ist es so einfach, einen Kriminalfall aufzuklären, dachte Miss Marmoppel und lächelte. Die beiden Frauen vom Bäckerei-Stand warteten inzwischen an der Kasse. Miss Marmoppel fand, dass die junge blonde Frau sehr sympathisch war. Vielleicht sollte sie mit ihr mal ins Gespräch kommen.