Miss Marmoppel und die letzte Fahrt des nassen Schloters / Erster Teil
Der nasse Schloter lag jetzt schon seit Stunden auf der kleinen Anhöhe und beobachtete das Heerlager der Angreifer. Er war durchgefroren, müde und ausnehmend demotiviert. Seit er in Diensten des Bischofs von Markscheid stand und zu dessen ungeordneten Haufen gehörte, hatte er als Kundschafter immer wieder Feinde ausgeforscht, hatte viele unterschiedliche Aufträge erhalten, aber noch niemals irgendwelchen Sold. Und gerade, als er sich zum tausendsten Male fragte, ob er nicht besser als Mietklinge bei der Gegenseite angeheuert hätte, riss ihn ein Geräusch aus dem kleinen Waldstück hinter ihm, welches man hier den Fickwalder Forst nannte, aus seinen bitteren Gedanken.
Noch bevor er aufspringen und zum Schwert greifen konnte, trat mit erhobenen Armen ein Mann zwischen den Bäumen hervor, der rasch näher kam, ein zahnlückiges Grinsen zeigte, sich dann ungelenk neben ihm ins Gras fallen lies und sagte: „Die bei uns im Lager haben gesagt, du wärst der nasse Schloter und wärst damals auch in der Schlacht von Ullreuth auf der Seite der Fürstenliga gewesen? Mich nennt man den fleckigen Rigobert und ich war dabei, als wir dort die Brücke erstürmt haben.“
Der nasse Schloter entspannte sich umgehend. Sein Besucher stand erkennbar auf der Markscheider Seite und war sogar noch ein alter Kriegskamerad. Also erwiderte er bescheiden: „Die Brücke? Ja, da war ich auch ganz, ganz vorne mit dabei und habe den Schweinen richtig eingeheizt. Ich bin eigentlich Seemann, aber als Mietklinge verdient man sein Brot halt viel einfacher und Ullreuth war meine erste Schlacht. Und es hat sich gelohnt, nach den Kämpfen den umliegenden Dörfern noch einen kleinen Besuch abzustatten …“ Dabei grinste Schloter übers ganze Gesicht.
„Wollte ich Dich gerade fragen.“ meinte der fleckige Rigobert: „Warst du damals auch in Ullbach, dem winzigen Dorf nahe der Brücke? Nach dem Besuch der Truppen sind nur drei riesige schwarze Rauchwolken von dem Nest geblieben.“
Und wieder grinste Schloter. Man verstand sich unter Mietklingen. Er meinte nur: „Ja, und ich erinnere mich an ein herrliches, blondes, dralles Weib da, mit dem die Männer und ich viel Spaß hatten. Schade, aber die hats wohl nicht überstanden.“
Jetzt lächelte auch der fleckige Rigobert. Aber es war ein kaltes Lächeln. Dann meinte er nur: „Nein, die hat es nicht überstanden. Sie war übrigens meine Frau.“ Und mit diesen Worten zog er den im Stiefelschaft verborgenen Dolch, rammte Schloter die Klinge mehrfall heftig in die Seite und spuckte dem völlig überrascht röchelnden früheren Seemann ins Gesicht. Und während der noch zuckte, seine Augen flackerten und das Blut in großen Mengen aus seiner Seite strömte, trat bereits Rigoberts Kumpel Waldo aus dem Waldstück, näherte sich rasch den beiden anderen Männern und packte den nassen Schloter an den Beinen.
Rigobert wischte die blutbefleckte Klinge an Schloters Hosenbeinen sauber und meinte dann zu Waldo, den man auch den Vernichter nannte: „Jetzt schnell weg mit dem Dreckstück hier, dann glaubt jeder, daß es die Kundschafter der anderen waren. Ein Stück runter den Waldweg ist die große Jauchegrube für unsere Truppe. Wir schieben diesem Arsch paar dicke Steine in die Taschen und dann kann der Seemann auf seine letzte große Fahrt gehen.“
Waldo nickte nur: „Der geht nie wieder an Land“.