Morbus Habkant
Wieder einmal ist unser großartiges Markscheid führend in den Naturwissenschaften. Stolz durfte diesesmal Frau Dr. hc (humoris causa) Crohn-Corque den Preisträger des diesjährigen Markscheid-Denkt Preises vorstellen. Frau Professor Dr. Dr. Gwendoline von Hammelsprung gelang der Durchbruch in der Medizin. „Partielle Investigation Subkortaler Funktionsanomalien im Lichte der Aggressionstheorien nach Jackhammer.“
In der Präsentation ihrer Forschungsergebnisse hob Frau Professor dankend hervor, dass in diesen unseren schwierigen Zeiten Untersuchungen und derartige Studien prinzipiell einfach durchzuführen seien, jedoch die Auswahl der Objekte aufgrund der Fülle an Anschauungsmaterial eine Herausforderung sei.
„Durch meinen Einsatz und die tatkräftige Unterstützung unserer werten Bürgermeisterin durfte ich mich für ein Objekt der typischen toxischen Grünlichkeit entscheiden.“
Sie machte eine kleine Pause, um die Worte wirken zu lassen.
„Es gelang mir, die physiologisch-psychologischen Mechanismen hinter der grassierenden blinden Zerstörungswut, genannt Furor viridis, aufzudecken. Diese seltsame Kombination von Hass auf den eigenen Staat und die Bevölkerung, verbunden mit der Ignoranz, dass man davon sehr gut lebt, ist nahezu einzigartig in der Geschichte. Höchstens die Endphase der französischen Revolution und der Tötenden Felder (Hier wurden einzelne Zwischenrufe hörbar: „Hä? Was meint sie?“, „Was ist das?“ Anm. der Red.) sind vergleichbar, obgleich die damals in ihrer Zerstörungswut noch Lichtjahre davon entfernt waren.“
Sie nahm einen Schluck der einheimischen Weizenkaltschale und fuhr fort. „Dass sich diese ansteckende Krankheit sogar in die Presse und auf früher mal als vernünftig angesehene Mitbürger übertragen konnte, ist wohl einmalig. Durch meine sorgfältige Abgrenzung von den normalen Psychopathen und Soziopathen, die ihre Wut an fremden Menschen und Minderheiten auslassen, zielt hier der Hass auf ein ganzes Volk. Eine sogenannte Populopathie.“
Sie nickte den Zuhörern zu.
„So hatte ich diesmal die Chance, ein neues Krankheitsbild zu beschreiben, das ich aber ausnahmsweise nicht nach mir, der Entdeckerin, sondern dem Probanden benennen durfte.“
Sie räusperte sich.
„Morbus Habkant, dem politischen Führer der Radikalen Viriden.“
Der Beifall, der nun aufbrandete schwoll an, bis die örtliche Vertreterin dieser Endzeitsekte sich und alle Parteimitglieder auf die Bühne klebten. Nun wurde es still, die Professorin betrachtete das Geschehen schweigend und rief dann: „Schauen Sie gut hin, meine Damen und Herren, hier können Sie eines der Hauptsymptome der Befallenen eins zu eins in seinem ursprünglichen Biotop beobachten : Das Festkleben! Es beginnt mit dem Festkleben an falschen Überzeugungen und Ideologien und wenn man nicht mehr weiter weiss, argumentativ im schwarzen Loch hockt, quasi, wird dieses Festkleben projiziert auf Kunstwerke, Strassen, Autos und Bühnen wie hier und materiell entäusserlicht, indem die eigene Körperlichkeit festgeklebt wird. Dies verschafft den Befallenen genug Stabilität, um nicht vom Winde des Zweifels und der Gegenargumente umgeweht zu werden. Ein typischer, selbstdestruktiver Akt und Schrei nach Hilfe und Beachtung. Leider gibt es derzeit keine Heilung. Gesundheitsminister Professor Lauterbach, unser aller Hüter vor Miasmen und anderen Gefahren, liess dazu verlauten; ich zitiere: ‚Wir werden bald einen Impfstoff haben, der diese Krankheit heilen wird, nebenwirkungsfrei, subito und nachhaltig. In der Zwischenzeit rate ich, Befallene nicht zu berühren, lasst sie kleben, damit nicht die ganze Bevölkerung angesteckt wird. Noch wissen wir nicht, wie die Übertragung stattfindet, Geschlechtsverkehr, Homöopathie, Sekundenkleber, falsche Ernährung oder audiovisuelle Imprägnation? – wir klären das alles noch ab!‘ Dem schliesse ich mich natürlich an!“ Mit diesen Worten schloss Frau Professor von Hammelsprung ihre Präsentation und schritt von der Bühne, bedachte die Festgeklebten mit einem mitleidigen Kopfschütteln und begab sich, einen grossen Bogen um die armen Opfer dieser neuen Epidemie machend, wie die meisten Festgäste an das reichhaltige Buffet.