Aufstieg und Niedergang des Imperium Knöllenbeckum
„Frau Fitze, einen Kaffee, aber pronto!“, bellte Knöllenbeck in die Sprechanlage. Seit seiner Ernennung zum Leiter der Kriminalpolizei Markscheid waren gerade mal drei Wochen vergangen. In dieser Zeit hatte Knöllenbeck das verwaiste Büro von Kriminalrat Möller in Beschlag genommen und seine ehemalige Kollegin Petra Fitze auf die neu geschaffene Stelle einer persönlichen Sekretärin zwangsversetzt. Dass ihm die Leitung der Dienstelle nur vorübergehend übertragen wurde, bis Kriminalrat Möller wieder arbeitsfähig war, hatte Knöllenbeck bereits vergessen.
Knöllenbeck war in den vergangenen Wochen nicht untätig gewesen. Als erstes hatte er die Taserpistole, die ihm Kriminalrat Möller aufgedrängt hatte, wieder gegen seine geliebte Dienstwaffe eingetauscht. Und dieses unsägliche Sport-Programm eingestellt. Als nächstes hatte er sich selbst eine gewaltige Erhöhung der Besoldung gegönnt. Danach den weiblichen Mitarbeitern das Tragen eines Bikinis im Büro vorgeschrieben. Und schliesslich Petra Fitze auf eben jene neu geschaffene Stelle versetzt. Freunde hatte er sich in der Zeit keine gemacht.
Knöllenbeck lehnte entspannt im Sessel seines Chefs, die Füsse bequem auf dem schweren Schreibtisch hochgelegt und schlürfte genüsslich am köstlich heissen Kaffee, als sich Petra Fitze über die Sprechanlage meldete: „Herr Knöllenbeck, die Frau Bürgermeisterin für Sie am Telefon.“ Knöllenbeck legte die Ausgabe der Private Yacht, die er seit drei Wochen abonniert hatte, nicht aus der Hand, als er über die Sprechanlage antwortete: „Keine Zeit, soll später nochmal anrufen!“. Zwei Sekunden später klingelte sein Telefon. „Frau Fitze, was soll das!?“, schnauzte Knöllenbeck ins Telefon. Der Fitze würde er solche Frechheiten schon noch austreiben. Am Telefon meldete sich aber nicht seine neue persönliche Sekretärin, sondern die Bürgermeisterin: „Herr Knöllenbeck, äh…, sind Sie das? Wie auch immer, mich erreicht gerade eine seltsame Nachfrage aus unserer Rechnungsabteilung. Haben Sie tatsächlich einen Rolls-Royce als Dienstwagen für den Leiter der Kriminalpolizei bestellt?“ Knöllenbeck stammelte etwas davon, das wäre doch gar nicht sooo teuer und das Fahrzeug brauche man als Tarnung für Undercover-Einsätze im Pizzabäcker-Milieu. Da würde man selbst mit einem luxuriösen Jaguar als nicht dazu gehörend auffallen.
Die Bürgermeisterin stellte noch ein, zwei Fragen und gab sich schliesslich zufrieden. Gerade nochmal gut gegangen, dachte Knöllenbeck. Jetzt aber zu der Fitze. Knöllenbeck riss die Tür zum Vorzimmer auf. Zu seinem Erstaunen war die Fitze aber nicht allein. Die gesamte Mannschaft war anwesend. Raoul Culot ergriff das Wort: „Herr Knöllenbeck, wir haben genug von Ihren Eskapaden. Wir brauchen Sie nicht. Wir kommen auch so zurecht, bis Kriminalrat Möller nächste Woche wiederkommt.“ Knöllenbeck traute seinen Ohren nicht. Was für eine niederträchtige Insubordination. „Sie sind gefeuert“, antwortete er in Richtung des neuen Hausmeisters. „Verstopfte Toiletten hin oder her, Sie sind gefeuert!“ Seltsamerweise reagierte Culot nicht. Knöllenbeck bemerkte erst in diesem Moment, dass die Anderen ihn unmerklich eingekreist hatten. Raoul Culot murmelte etwas, das wie „nique ta mère, gros fils de pute !“ klang. Dann passierte etwas ungeheuerliches: Culot schlug zu! Die Faust des kräftigen Hünen traf Knöllenbeck völlig unvorbereitet. „Et tu, Raoul?“, brachte Knöllenbeck gerade noch hervor, dann wurde es um ihn herum dunkel.
Als Knöllenbeck wieder das Bewusstsein erlangte, stellte er fest, dass man ihn in sein altes Büro getragen hatte. Auf dem Schreibtisch lagen fein säuberlich gestapelt sämtliche unbearbeiteten Fälle der letzten Jahre. Knöllenbeck begriff, wie sich ein abgesetzter Herrscher im Exil fühlen musste. Napoleon auf St. Helena. Trump in Florida. Knöllenbeck in Markscheid.